1812 – der leidvolle Marsch nach Russland

1812 umsonst gelitten und gestorben

Spannende Lesung von Dagmar Wuttge und deren Sohn Jörg in der Reihe Sonntagsgespräche des Vogtländischen Altertumsforschen Vereins zu Hohenleuben (VAVH) aus dem Buch  „1812 – der leidvolle Marsch nach Russland“ von der Bergsträsser Autorin Dagmar Wuttge, die 1942 in Gera geboren wurde und in Weida bzw. Triebes Teile ihrer Kindheit verbrachte. Ihr Buch fusst auf den Erinnerungen ihres Ururgroßvaters, des württembergischen Medizinalrates Christoph Heinrich Groß.

 

Von Volkmar Fischer

    Hohenleuben.  Es herrscht eine beklemmende Stille unter den etwa 40 interessierten Zuhörern im Vortragsraum des Museums in Reichenfels, als Dagmar Wuttge und ihr Sohn Jörg (Pfarrer in der Schweiz) Passagen aus dem Buch „1812 – Der leidvolle Marsch nach Russland“ zum Vortrage bringen – im interessanten Spannungsfeld zwischen der sonoren Stimme des Sohnes und dem Sopran der Mutter. Dagmar Wuttge hat das Buch in Aufarbeitung der persönlichen  Erinnerungen des würrtembergischen Medizinalrates Christoph Heinrich Groß, ihres Ururgroßvaters, geschrieben. Dagmar Wuttge und Sohn

Die dem hessischen Bergsträsser Autorenkreis angehörende Autorin ist in der Ostthüringer Region und dem Verbreitungsgebiet der Ostthüringer Zeitung vor allem bekannt geworden durch ihre Familiensaga „Die Pferdekämpers – Ein Spiegelbild deutscher Geschichte“. Bei den Recherchen zu diesem Buch, das Dagmar Wuttge geschrieben hat, um das Engagement ihres Großvaters, dem Geheimrat Ewald Dietrich Pferdekämper, bei der Industrialisierung des ausgehenden 19. Jahrhunderts durch die Gründung der Jutewerke Weida und später der Übernahme der Geraer Jute-Spinnerei und –weberei in Triebes und insbesondere die sozialen Auswirkungen auf die hiesige Beevölkerung zu würdigen, war die Autorin mehrfach mit Aufzeichnungen ihrs Ururgroßvaters, des Medizinalrates Christoph Heinrich Groß, konfrontiert worden.

Als sie durch eine schicksalhafte Fügung die handschriftlichen Erinnerungen in den Händen hielt, war es für sie ein „Muss“, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wohl auch in der Hoffnung, dass die vom Medizinalrat Groß überlieferte Gleichgültigkeit gegenüber jedem Elend, Anlass für künftige Generationen sein möge, diese umzumünzen in menschliches Mitgefühl, zorniges Aufbegehren gegen jede Art von Krieg und Vorherrschaftsstreben durch militärische Gewalt.Vortrag Wuttge

Denn Generationen nach dem leidvollen Marsch der Truppen Napoleons und dessen Verbündeten 1812 nach Russland haben die grauenvollen Erinnerungen auch von Medizinalrat Groß bei keinen nachfolgenden Politikern oder Militärs dazu geführt, Lehren daraus zu ziehen. Für Dr. Udo Hagner, Vorsitzender des VAVH, Anlass zu der Feststellung, dass die Soldaten der Napoleonischen Truppen und deren Verbündeten umsonst gestorben und gefallen sind. Für ihn sei es erschreckend, wie wenig aus der Geschichte gelernt wurde. Dies war auch die dominierende Meinung der Zuhörer in der anschließenden Diskussion.

Dabei wurden die Erinnerungen von Medizinalrat Groß durchaus nicht unkritisch gesehen. Vermisst wurde vor allem, dass in den detaillierten und  grausamen Schilderungen in den Aufzeichnungen von Groß keine emotionalen Regungen des Regimentsarztes erkennbar wurden oder eine persönliche Bewertung der kriegerischen Auseinandersetzungen. So beispielsweise, als Napoleon am 6. Dezember 1812 seine Armee feige im Stich gelassen und die Soldaten auf dem Rückzug dem eigenen Schicksal überlasen hatte. Unverständlich ist diese emotionslose und unkritische Aneinanderreihung von Fakten und Ereignissen vor allem in Hinsicht darauf, dass Gross seine Aufzeichnungen erst 50 Jahre später zu Papier brachte, zu einem Zeitpunkt also, als Napoleon schon tot war und er diesbezüglich keine Repressalien zu befürchten hatte.

Aber bei diesem Feldzug 1812, der alle bis dato bekannten Dimensionen sprengte, als auch bei den Feldzügen davor und danach, an denen Groß beteiligt war, galt wohl die Devise: „Ärzte sind nie direkt am Krieg beteiligt“. Aber indirekt wohl doch, indem sie nach einem Gefecht die Verwundeten eingruppierten in „noch verwendbar nach medizinischer Versorgung“ oder „nicht mehr wert für den Kriegsdienst“ und damit verdammt, auf dem Schlachtfeld eines qualvollen Todes zu sterben. Überliefert ist von Groß lediglich der Hinweis an künftige Soldaten „die jungen Leute sollten sich im Durst- und Hungerleiden üben“.

Übrigens hatte der Feldzug Napoleons, dessen Reste der Grand-Armee am 15. Dezember 1812 den unrühmlichen Rückzug aus Russland antreten mussten, weil Moskau von seinen Bewohnern in Schutt und Asche gelegt worden waren und damit auch die erhofften Winterquartiere der Soldaten Napoleons, den Effekt, so Dagmar Wuttge Vortrag Wuttge 2abschließend, dass der Feldzug Napoleons gegen Russland für die Russen ein Gefühl der Volkseinheit geschaffen habe.

1-Jul-2015 | 2015, Nachlese

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