Die Freunde des Lichts

Zündende Leidenschaft in kalten Tagen – Vortrag über die Phillumenie in Reichenfels

Das erste Sonntagsgespräch des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben (VAVH) am 18. Januar widmete sich, passend zur noch bis zum 19. April zu sehenden Sonderausstellung im Museum Reichenfels, der Phillumenie. Die „Freunde des Lichts“, wie man „Phillumenisten“ übersetzen kann, beschäftigen sich im engeren Sinne mit Zündhölzern und deren Verpackung, im weiteren aber auch mit allem, was mit der Geschichte und der Technik der Feuererzeugung zu tun hat. Die im April 1959 gegründete „Phillumenische Gesellschaft e. V.“ feiert in wenigen Monaten ihren 50. Geburtstag, den sie mit einem Großtauschtag in Berlin begehen wird. Darüber wird dann sicher auch die Vereinszeitschrift berichten, die früher den profanen Titel „Zündholzetikett“ trug, sich heute aber – humorvoll und sympathisch selbstironisch – „Alte Schachtel“ nennt.

So manchem der rund 20 Zuhörer dürfte bei den interessanten, auch mit kleinen Fernsehausschnitten und einer DVD illustrierten Darlegungen von Günter Feustel aus Greiz ein Licht der Erkenntnis aufgegangen sein. Seit rund 40 Jahren ist der Malermeister seiner zündenden Leidenschaft verfallen und  in dieser Zeit bereits mehrmals mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten. In seinem Vortrag ging er zunächst auf die Geschichte der Zündholzindustrie bis zum heutigen Tag ein. Der Exkurs begann in der Urzeit, als der Mensch lernte, künstlich Feuer zu erzeugen. Es war ein langer Weg, bis schließlich die ersten Feuerzeuge entstanden. Diese waren sogenannte Tauch- oder Tunkfeuerzeuge; die vom Chemiker Döbereiner, einem Vogtländer aus Hof, erfundene Zündmaschine von 1816 wurde in der Schleizer Firma Piegler produziert. Sie konnte sich jedoch nicht auf Dauer durchsetzen, war das Verfahren zur Hervorrufung einer Flamme doch recht umständlich. Wesentlich leichter wurde das Ganze, als der Ludwigsburger Erfinder Kämmerer  im Jahre 1832 auf die Idee kam, Holzstäbchen mit weißem Phosphor zu beschichten. Er war jedoch mittellos, so dass der Darmstädter Fabrikant Moldenhauer im darauf folgenden Jahr mit der industriellen Herstellung begann; Kammerer selbst starb 1857 in einem Irrenhaus. Es entstand ein neuer Industriezweig, der neuartige Hobel- und Spaltmaschinen benötigte. Auch im vogtländischen Raum, genauer in Crieschwitz bei Plauen, ist 1857 eine chemische Zündwarenfabrik (Roth & Goldmann) nachgewiesen, über die aber wenig Konkretes bekannt ist. Heutiges Zentrum der Zündholzindustrie ist Schweden. Der zunächst in den Kuppen enthaltene, stark giftige weiße Phosphor führte zur gefürchteten „Phosphornekrose“, die oft einen qualvollen Tod mit vorhergehendem Zahnausfall bedeutete. Erst der rote Phosphor ermöglichte 1843 die Entwicklung der ungiftigen Sicherheitszündhölzer, die nicht mehr so leicht und an jeder rauen Fläche entzündbar waren. Nicht umsonst zitierte Günter Feustel ein Gedicht, in dem es über das Zündholz heißt:  „Entzündet es sich in der Tasche, stehst du schnell da in Hemd und Asche. Das Zündholz mit der kleinen Kappe ist denn doch nicht nur von Pappe.“

Die praktischen Hölzchen, die man überall mit hinnehmen konnte, hatten die verschiedensten Verpackungen. Günter Feustel zeigte im Bild und zum Teil im Original unter anderem Behältnisse in Form von Vögeln, Stiefeln, Körben, Schlitten und Klosettstühlen. Natürlich gab es auch die uns bekannten Schachteln; 1892 wurde in den USA der Buchzünder erfunden. Schon frühzeitig erkannte man  die Möglichkeit, auf den Verpackungen Werbung – und später auch Propaganda – anzubringen. Dies ist besonders Erfolg versprechend, wird man doch jedes Mal, wenn man ein Streichholz entnimmt, auf die enthaltene Botschaft aufmerksam. Etiketten auf  Streichholzverpackungen gab es früher als Briefmarken. Während letztere erst seit 1840 existieren, sind erstere schon 1829 in Frankreich und ein Jahr später auch in England und Schweden nachweisbar. Der erste deutsche Sammler auf dem Gebiet der Phillumenie war der aus St. Petersburg stammende Ferdinand Semmel (1893 – 1959). Übrigens ging man im Lauf der Zeit dazu über, auch Etiketten speziell für Sammler zu drucken; man kann unaufgeschnittene Bögen und Banderolenetikette erwerben, und auch besonders große und aufwendiger geschmückte Schachteln (die im östlichen Teil Deutschlands „Luxuskoffer“, im westlichen „Präsentschachtel“ hießen) wurden hergestellt. Die Sammelleidenschaft richtet sich nicht nur auf Etiketten: Auch Zündholzköpfe und deren Färbung, die verwendeten Holzarten und das Papier oder „kranke“ und „verletzte“ Hölzer sind von Interesse. Die verschiedenen Drucktechniken sind ebenso Thema beim Fachsimpeln wie das für die Behältnisse und die Etiketten benutzte Material; es gibt zum Beispiel auch Aufkleber aus Aluminium und Holzdosen mit Kupferetiketten. Die Phillumenie ist auf jeden Fall ein Hobby, das über den mehr oder weniger engen Rand des eigenen Alltags hinausführt und weltumspannend wirken kann. Schon ein Vergleich unterschiedlicher Gerätschaften der Völker zur Feuererzeugung ist aufschlussreich. Die eingangs erwähnte Möglichkeit des Besuchs der Sonderausstellung in Reichenfels sollte man sich nicht entgehen lassen.

Dr. Frank Reinhold

18-Jan-2009 | 2009, Nachlese

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