Episoden aus der Rechtsprechung im Mittelalter

Episoden aus der Rechtsprechung im Mittelalter

 

Das letzte heimatgeschichtliche Sonntagsgespräch fand am 15. Februar im Museum Hohenleuben- Reichenfels statt. Der VAVH Vereinsvorsitzende Dr. U. Hagner sprach zum Thema: „Eine Gemeindeversammlung in Kraftsdorf 1669 und das Vierfachverlöbnis in Pörmitz (1665- 1669)“. In unserer heutigen Gesellschaft werden eine Vielzahl von Problemen im mitmenschlichen Zusammenleben durch Gerichte, Schiedsgerichte oder Richter geklärt. Probleme dieser Art sind jedoch nicht das Ergebnis unserer modernen Lebensweise, auch in

Dr. Udo Hagner

Dr. Udo Hagner

vergangenen Zeitepochen sind sie in der unterschiedlichsten Form zu finden.

Eine Zeitreise in die Rechtssprechung des 17. Jahrhunderts gelang Dr. U. Hagner mit seinen Ausführungen zu einer Gemeindeversammlung in Kraftsdorf von 1669. Kraftsdorf war zu jener Zeit mit ca. 250 Einwohnern ein relativ großes Dorf. Die dörfliche Gemeinschaft wurde getragen vom Nachbarschaftsrecht der alteingesessenen Bauernfamilien. Dieses  Gemeinde- oder Nachbarschaftsrecht galt jedoch nicht für Kleinhäusler, die meist Handwerker oder Tagelöhner waren und für Kleinbauern. In den Gemeindeordnungen waren die Rechte und Pflichten der Nachbarschaften geregelt. Unstimmigkeiten untereinander wurden in den Gemeindeversammlungen, Heimlein genannt, geklärt, die dreimal jährlich abgehalten wurden. Die überlieferten schriftlichen Akten solch einer Versammlung von 1669 lagen dem Referenten für seine Ausführungen zu Grunde. Der Ablauf solch eines Heimlein erfolgte nach einem althergebrachten Ritual, die Formulierungen waren fest vorgeschrieben und folgten einer überlieferten Prozedur. Die behandelten Themen reichten vom unberechtigten Sammeln von Feuerholz bzw. Futtermitteln, dem Verwehren von Grundstücksdurchfahrten, der Kontrolle der Feuerstätten, Verleumdungsklagen bis hin zur Weitergabe des Nachbarschaftsrechtes an Erben. Die Gemeindeversammlung konnte ebenfalls Geldbußen für Verfehlungen verhängen und Rügen aussprechen. Am Ende eines jeden Heimlein stand ein gemeinsames Festessen.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts und der Einführung der neuen Gemeindeordnungen war das dörfliche Zusammenleben von diesen Amtshandlungen geprägt. Die zweite Episode aus der Rechtssprechung vergangener Zeiten beruht auf den Gerichtsakten des Ehegerichtes Schleiz. Der in Pörmitz ansässige Müller Wilhelm Ölßner hatte zwei Töchter, Elisabeth und Margarethe. Die jüngere, Margarethe, verlobte sich 1664 mit dem Bauernsohn Veith Geithner. Im Rechtsverständnis der damaligen Zeit war eine Verlobung ein Eheversprechen, das nicht so ohne Weiteres wieder aufgehoben werden konnte. Trotzdem verlobte sich die Margarethe Ölßner 1665 mit dem Forstknecht  Härtel. Beweggründe hierfür sind in den Gerichtsakten nicht erkennbar. In den darauffolgenden Jahren finden sich in den Akten die verschiedensten Hinweise auf weitere Gerichtstermine, die sich mit M. Ölßner und ihren jeweiligen Verlobten (2x Veith Geithner, 1x  Andreas Härtel, 1x  Paul Glück) und der Rückzahlung diverser Geldbeträge befassen. Die Vermutung liegt hier sehr nahe, dass die Eltern von Margarethe sehr genau auf die Aussteuer und den Stand des jeweiligen Verlobten schauten und ihre Meinung fortlaufend änderten. Die Prozesse zogen sich bis in das Jahr 1669 hin. Im Jahre 1671 heiratete Margarethe Ölßner dann den Müllerburschen Melchior Wolfram und beide lebten fortan ohne in weiteren Gerichtsakten des Ehegerichtes Schleiz in Erscheinung zu treten.

Beide Episoden zeigen uns heute, dass von jeher menschliche Schwächen das Zusammenleben erschwerten und von neutralen Stellen/ Gerichten entschieden /geschlichtet werden mussten. Die Probleme haben sich im Laufe der Zeit kaum geändert, nur das Erscheinungsbild hat sich an das jeweilige Zeitalter angepasst.               18.02.2015/ J. Zorn

5-Mrz-2015 | 2015, Nachlese

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