Himmelfahrtsexkursion nach Kranichfeld

Mai- und Himmelfahrtsexkursion des Hohenleubener Vereins nach Kranichfeld und Hohenfelden

Wohl jeder, zumindest abwärts bis zur Generation der etwa 50jährigen, kennt einen Text des berühmtesten Kranichfelders, auch wenn dessen Name und Geburtsort die wenigsten parat haben dürften. Gemeint ist Rudolf Baumbach (1840 – 1905) und sein Liedtext „Hoch auf dem gelben Wagen“. Auch die „Lindenwirtin“ und manch anderes mehr hat jener Poet erdacht. Im Kranichfelder Baumbachhaus kann man Interessantes über Leben und Werk des Dichters erfahren.

Ins kleine Kranichfeld im Ilmtal führte die Busexkursion des Hohenleubener Altertumsvereins am 1. Mai. Der Organisator Jürgen Zorn, Hohenleuben, konnte rund 40 Interessenten zur 10. Maiexkursion begrüßen, die diesmal auf die Spuren der Reußen führte. Noch heute zeigt das reußische Wappen bekanntlich den Kranich – Hinweis auf die 1451/53 erworbene Herrschaft Oberkranichfeld, ein ernestinisches Lehen. 1566 wurde diese Herrschaft auf die damals existierenden drei reußischen Linien aufgeteilt; seit 1608 besaß die jüngere Linie alle Anteile. Die Herrschaft Kranichfeld ging 1615 durch Verpfändung an Sachsen-Weimar endgültig verloren, der Kranich im Wappen aber blieb.

Nach der Ankunft im idyllischen Ort ging es zunächst in die Druckerei Hahn, gegründet vor nunmehr 120 Jahren und noch heute im Familienbesitz. Seit einigen Jahren wird hier auch das Hohenleubener Jahrbuch hergestellt. Die Teilnehmer wurden von Familie Gentsch (Vater, Mutter und Tochter erwartet) und durch den kleinen, aber mit modernsten Maschinen ausgestatteten Betrieb geführt. In der Druckerei sind gegenwärtig 7 Personen beschäftigt; Frau Gentsch ist die Urenkelin des Firmengründers Georg Hahn. Johannes Gentsch erläuterte die technischen Abläufe von der Druckvorstufe über den Druck bis zur Weiterverarbeitung. Broschüren entstehen vollständig im Betrieb; bei Büchern mit festem Einband erfolgt die Endherstellung außer Haus. Die alte aufwändige Technik mit Bleilettern wird nur noch für künstlerische Zwecke angewandt; hier ist bis zur Gegenwart die Handarbeit gefragt, um dem Produkt sozusagen Seele einzuhauchen. Da die heutigen Lehrlinge aber nicht mehr mit den herkömmlichen Verfahren vertraut gemacht werden, ist es nur eine Frage der Zeit, dass auch auf diesem Gebiet Altes dem Neuen weichen wird. Die Autoren liefern ihre Texte meist auf Diskette oder per Email; in der Druckerei werden dann Text und Bild zusammengefügt und formatiert. Seit 2006 kommt moderne Lasertechnik zum Einsatz. Bei Kaffee und Gebäck kamen die Teilnehmer mit der sympathischen Familie ins Gespräch und erfuhren Weiteres über Produktpalette und Perspektiven des Unternehmens.

Nächstes Ziel war das Kranichfelder Oberschloss. Es wurde unter den 1143 erstmals erwähnten Herren von Kranichfeld errichtet und war, wie bereits erwähnt, von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts im reußischen Besitz. Hier gab Thomas Schiffer, Mitglied des „Förderkreises Oberschloss Kranichfeld e. V.“, sachkundige Erläuterungen zu Geschichte und Gegenwart der Anlage. 1453 unter den Reußen von Plauen (jüngere Linie) im Stil der Renaissance ausgebaut, verlor das Schloss 1934 durch Brandstiftung des damaligen Besitzers Ramminger, eines Geraer Industriellen, einen Teil seines alten Aussehens. Die erhoffte Versicherungssumme wurde Ramminger nicht ausgezahlt; sein Sohn, ein überzeugter SS-Mann, stellte die Ruine seiner Organisation zum Ausbau als „Ordensburg“ zur Verfügung. Dieser Ausbau wurde von 1941 bis 1945 durch Buchenwald-Häftlinge unter schweren Bedingungen ausgeführt; der Zusammenbruch des NS-Staates verhinderte die Vollendung der Pläne. Die SS plante die Sprengung, kam aber glücklicherweise nicht mehr dazu. Bis zum Beginn der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war die Ruine dem Verfall preisgegeben. Dank des 1981 gegründeten Förderkreises konnten Aufräumungs- und Sanierungsarbeiten in Angriff genommen und so der Niedergang gestoppt werden. 1992 begannen die Sicherungsarbeiten durch die Thüringer Denkmalpflege; 2 Jahre später wurde eine ständige Ausstellung eröffnet. Im gleichen Jahr übernahm die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten das Schloss. Seit 1999 können Besucher den Ruinenteil und den neu gestalteten Vorburghof besichtigen. Bemerkenswert sind unter anderem die Zisterne im Burghof und der Bergfried „Dicker Turm“ mit seiner Aussicht ins Land; der Wehrgang ist eine Zutat des 20. Jahrhunderts. Das Wahrzeichen ist der am Tragstein des Renaissanceerkers angebrachte, den Betrachtern den nackten Hintern zeigende „Leckarsch“. Ihm verdanken die Kranichfelder ihren Spitznamen und die Regionalgeschichtsforscher ein Problem zum Nachdenken, warum dieses unfreundliche Symbol hier zu sehen ist. Die Sage von zwei verfeindeten Brüdern, deren einer dann seinem Bruder zum Trotz das Unterschloss im Ort erbaute, bietet den Versuch einer Erklärung. Das Schloss mit seiner interessanten Geschichte, die jenseits mittelalterlicher Burgenromantik auch die politischen Verstrickungen des vergangenen Jahrhunderts einschließt, ist eine Besichtigung in jedem Fall wert.

Nach dem Mittagessen fuhren die Exkursionsteilnehmer zum Freilichtmuseum Hohenfelden, dessen Anfänge auf das Jahr 1979 zurückgehen. Damals wurden zunächst Pfarrhaus und Pfarrhof im Ort zur Besichtigung freigegeben. Inzwischen hat man etwas außerhalb des Dorfes vom Abriß bedrohte ländliche Gebäude aus verschiedenen Orten wieder aufgebaut und somit gerettet. In zwei Gruppen folgten die Teilnehmer einer anschaulichen Zeitreise. Auch wenn viele der Älteren die „schwarzen Küchen“, „guten Stuben“, die Ställe im Wohnhaus, die Taubenhäuser und Laubengänge, die Gerätschaften der Bauern und der Handwerker aus eigenem Erleben noch kannten, wurde doch einmal mehr deutlich, dass nahezu alles einer unwiederbringlich vergangenen Welt angehört. Für die junge Generation ist es fernste Vergangenheit, für andere wie den Berichterstatter erweckt das Freilichtmuseum die Atmosphäre der Kindheit für kurze Zeit wieder zum Leben. Die solcherart vor Augen geführten Alltagsbedingungen unserer Vorfahren machen aber auch bewusst, welche vor allem technischen Erleichterungen unser Dasein heute längst selbstverständlich bereichern. Für damalige Dorfbewohner war schon der „Sparherd“ des relativ wohlhabenden Schmieds, dessen Amboss im Haus in unmittelbarer Nähe der Wohnstube stand, ein Luxusgegenstand. Die freundlichen Führerinnen hatten viele Fragen zu beantworten. Fast bis zuletzt hielt auch das warme, angenehme Ausflugswetter an. Ein paar Regentropfen gegen Ende der Führung wurden in Kauf genommen, zumal man im Pavillon, der die Kegelbahn beherbergt, Kaffee und Kuchen genießen konnte.

Am Ende dieser Maiexkursion, deren Termin zufällig auch auf Hmmelfahrt fiel, konnten alle Teilnehmer einen erholsamen und gleichzeitig nützlichen Tag verbuchen. Schließen wir mit einer Frühlings-Empfehlung Rudolf Baumbachs: „Und bist du klug, so machst du’s wie die lust’gen Wandervögel: Die Tür ist auf, entflieh, entflieh, und spanne deine Segel!“

Dr. Frank Reinhold

1-Mai-2007 | 2007, Nachlese

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