KARTOFFELANBAU im Vogtland

Die Bekanntmachung der Vogtländischen Knolle

 

Zum ersten Sonntagsgespräch (16. September 2012) des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins im neuen Vereinsjahr hatten sich zahlreiche Interessenten in Reichenfels eingefunden. Dazu konnte der Heimatforscher und Ortschronist Winfried Taubner aus Unterwürschitz im Vogtland als Referent begrüßt werden.Er hat sich in jahrelanger Arbeit speziell mit der Einführung der Kartoffel als neue Feldfrucht insbesondere im Vogtland beschäftigt und dazu umfangreiches Material zusammengetragen.

Vor über 350 Jahren begann im Vogtland der feldmäßige Anbau der Kartoffel als Nahrungsmittel. Erste schriftliche Nachweise fand der Referent aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Die Kartoffel kam in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts aus den Berglagen der Anden nach Europa und wurde zuerst nur zögernd verbreitet.

Im Jahr 1591 übersandte Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel dem Kurfürsten Christian I. von Sachsen auf dessen Bitte einige exotische Pflanzen und machte in einem Beischreiben darauf aufmerksam „Wir überschicken Eurer Liebden mit anderen ein Gewächs, si wir vor einigen Jahren aus Italien bekommen und Tartouphli  genannt wird. Dasselbe wächst in der Ertde und hat schöbe Blumen, guten Geruch und unten an den Wurzeln hat es viele tubera (Knollen) hängen. Dieselben, wenn sie gekocht werden, sind gar anmutig zu essen.“

Und um 1626 wurden im Greizer Schlossgarten einige Beete mit „Erdäpfeln“ bepflanzt, wofür „3 Weiber im Garten gearbeitet von denen eine 4 Tage die anderen 2 Tage die Wurzeln der Erdäpfel ausgegraben“. So ist zu dieser Zeit die Kartoffel bereits bekannt, und die Legende, man habe zuerst die grünen Früchte zu essen versucht ist wohl  ins Reich der Fantasie  zu verweisen. 1697 wurde in Hof in einem Gerichtsverfahren eine Aussage aufgezeichnet, „das, wie der Schwede im Jahr 1647 Hof eingenommen, wären noch keine Erdäpfel an seinem Orte  2 Stunden entfernt von Hof gewesen, aber bald danach hingekommen. Er wisse ganz wohl, daß Hanns Rogler, mit dem er ehedessen gedroschen, die ersten Erdäpfel von Roßbach daher gebracht.“  1731 schreibt aber schon der Pfarrer Ernst Marbach aus Schöneck „Die weißen Erdäpfel sind … in allen Häußern die ordinäre Zukost. Es sind aber diese Erdäpfel hierzulande vor 50 und mehr Jahren eine ganz neue und ungewöhnliche Speise gewesen.“

Herr Taubner hat inzwischen über hundert schriftliche Nachweise für den Kartoffelanbau vor allem im Vogtland zusammengetragen und veröffentlicht.

Uns interessieren besonders die frühesten Nachweise im Thüringer Vogtland. Zum ersten Male wird 1715 in einem Fronregister des Rittergutes Brückla das „Erdäpfelgraben“ als Fronleistung der Untertanen ausgewiesen und 1722 kommt es in Lunzig zu einem Fronstreit, weil sich die Bauern von Lunzig, Kauern und Mehla weigern, Erdäpfel zu ernten und einzufahren, weil dieses nicht in den alten Fronverzeichnissen vorgeschrieben ist. In diesem Verfahren sagt der Triebeser Bauer Barthel Löffler (über 60 Jahre alt) 1723 unter Eid aus, er wisse gar wohl, daß bei ernanntem Rittergut (Lunzig) vor 1, 2, 3, … 20, 30 und mehr Jahren her Erdäpfel gebauet worden, und fügt hinzu „… aber nicht viel, denn eben nicht viele dazumahlen ausgestecket worden“. So sind also wohl schon um 1690 im Gebiet der Pflege Reichenfels Kartoffeln angebaut worden. 1728 findet die Kartoffel Erwähnung in einem Inventarverzeichnis des Rittergutes Hohenölsen.  Von 1747 ist eine weitere Nennung aus dem gerade erst entstandenen Neuärgerniß bekannt. So kann der Beginn des Kartoffelanbaus für  Ostthüringen und wohl für ganz Thüringen auf  die Zeit um 1690 im Gebiet der Pflege Reichenfels angenommen werden. Aus allen vorgetragen Unterlagen geht auch hervor, dass praktisch ein exakter datumsmäßiger Termin für die Einführung des Kartoffelanbaus in Deutschland nicht zu geben, wohl aber für eng begrenzte kleine Territorien genauer angegeben werden kann.

Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde die neue Feldfrucht zum wichtigsten Nahrungsmittel der Bevölkerung und verhinderte wiederholt das Auftreten von Hungersnöten, wie sie aus früheren Zeiten bekannt sind.

Im Laufe der Geschichte entwickelte sich der Kartoffelanbau stürmisch. Von der Ernte mit Gabel und Schaufel, über das Ausackern, Kartoffelschleudern bis zu Kartoffelvollerntemaschinen, von Kellerlagerung über immer größere Mieten, Kartoffelsortierplätzen und -anlagen bis zu modernen klimatisierten Lageranlagen vergingen nur 200 Jahre, eine historisch kurze Zeit.

Heute kämpft der Referent mit Unterstützung vieler gesellschaftlicher Kräfte, darunter u. a. staatlicher Stellen, des Plauener Geschichtsvereins oder touristischer Verbände die Erinnerungen und Traditionen des frühen Kartoffelanbaus im Vogtland und die Verbreitung als „Vogtländische Knolle“, wie die Frucht aus ihrer Geschichte heraus auch genannt wurde,  zu erhalten, zu pflegen und als Markenzeichen des Vogtlandes zu etablieren. Dafür wurden u. a. örtliche „Kartoffelfeste“ und  in Gastwirtschaften „Tage der Kartoffel“ organisiert, die jährlichen Tage der Sachsen und die Tage der Vogtländer genutzt. Es bildete sich 2009 ein „Vogtländischer Knollenring e. V.“ ein und schließlich wurde 2009 in Unterwürschnitz im Raum Oelsnitz ein Kartoffellehrpfad „Vogtländischer Knollensteig“ angelegt.

Damit wird auch die Feststellung des in Hohenleuben ja bestens bekannten Küchenmeisters Harald Saul bestätigt: „Ohne Kartoffeln ist keine vogtländische Küche denkbar!“
Herzlicher Beifall dankte dem Vortragenden für seinen lebendigen, interessanten Vortrag.

 

F. W. Trebge

16-Sep-2012 | 2012, Nachlese

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