Vergangene Berufe

Vergangene Berufe und Erwerbstätigkeiten in Hohenleuben – und andere Erinnerungen

Einen interessanten und heiteren Vormittag bereitete das monatliche Sonntagsgespräch des VAVH im März den anwesenden Heimatfreunden. Der bekannte Heimatforscher Dr. Ernst Woll aus Erfurt, ein gebürtiger Hohenleubener, plauderte über Erinnerungen aus seiner Kindheit an frühere Berufe und heute verschwundene Tätigkeiten in seiner Heimatstadt und ihrer Umgebung. Seine Darlegungen belegte er mit zahlreichen Bildern.

 

 

 

 

 

 

Referent Dr. Ernst Woll

 

 

 

Luftbild von Hohenleuben mit der JVH an der Stelle stand das Schloß mit Schloßpark (kleines Bild)

 

Er berichtete einleitend über einen Rundflug über unsere Heimat und machte auf heutige Betriebe   und Einrichtungen aufmerksam, die das Alltagsleben schon früher, besonders aber heute      bestimmen, und auf die großen landwirtschaftlichen Flächen, die früher in –zig kleine Handtücher    zersplittert waren. Dann wies er darauf hin, wie sich dieses tägliche Leben der Menschen in den letzten Jahrzehnten so grundlegend gewandelt hat, daß selbst Erwachsene und erst recht die Kinder heute schon von vielem, was er und mancher der hier Anwesenden noch selbst erlebt haben, kaum eine Vorstellung mehr besitzen.

 

Aus dem eigenen Familienkreis berichtete er dann über die Berufstätigkeiten besonders in der  Textilbranche, die hier in unserer Region eine besondere Rolle gespielt hat. Da war der Großvater noch Handweber, dessen Webstuhl in der Stube aufgestellt war. Als durch die Industrialisierung die Handweberei nicht mehr konkurrenzfähig war, arbeitete er als Weber in einer Fabrik im Nachbarort.   Die Mutter war Strickerin und „wirkte“ in der inzwischen verschwundenen Strickerei Zorn in Hohenleuben. Und die Tante war noch Weißnäherin, die je nach Anforderung von Hof zu Hof ging, um dort die Wäscheausstattung für die Töchter wohlhabender Bauern und Bürger anzufertigen. Alle Darstellungen waren gewürzt mit Anekdoten und Erinnerungen aus der Kindheit des Referenten und den Erzählungen der Alten.

 

Dann sprach Dr. Ernst Woll über die verschiedensten Handwerksberufe, die überall in Hohenleuben ausgeübt wurden. Er stellte den alten Schuhmacher oder „Schuster“ vor, der ihm noch selbst ein paar neue Kinderstiefel anfertigte, und den Schneider, der den Konfirmandenanzug lieferte. Pullover, Strümpfe und Schals wurden selbst gestrickt, und in Hohenleuben blühte die Holzpantoffelherstellung bei den Firmen Ebert und Stürmer. Es gab noch mehrere Schmiede, die auch neue Reifen auf die wichtigen Handwagenräder aufzogen, Tischler, die für das junge Brautpaar die Schlafstube bauten und den Glaser, der die von den Jungen beim Spiel zerbrochenen Fensterscheiben reparierte.

Er erinnerte auch an den Korbmacher und den Besenbinder, an den Leitermann, der aus dem Holzland kam „wenn es regnete“, den Scherenschleifer, den Rastelbinder und „Topfstricker“, die als fahrendes Volk von Haus zu Haus zogen und ihre Dienste anboten.

 

Alte Hohenleubener Krämerläden

 

Ein besonderes Kapitel war den Händlern gewidmet, angefangen bei den „Krämern“ oder Kaufleuten, die in ihrem „Kaufmanns- oder Kramladen“, später großzügig „Kolonialwaren- oder Delikateßwarenhandlung“ genannt, all das anboten, was man nicht selbst anbauen oder herstellen konnte. Und dazu gehörten auch die zahlreichen ambulanten Händler, die als Zwischenhändler die Bevölkerung versorgen halfen. Da waren die Butterfrau und der Eiermann, die Mehlfrau, der Bäckerjunge und der Milchmann, die Marktfrauen und die Buckelapotheker, hier „Königsee´er“ oder, wie eine Besucherin in der anschließenden Diskussion berichtete, auch „Hingfong-Mann“  genannt. Eine besondere Attraktion für die Kinder war der „Eismann“, der mit seinem Wagen aus Langenwetzendorf kam, und seine Leckerei anbot. Es gab aber auch die „Eismänner“, die im Winter aus den zugefrorenen Gewässern das Eis brachen, das in den Brauereien und Gaststätten zur Kühlung bis in den Sommer eingelagert wurde.  Und natürlich gehörten auch der „Lumpensammler“ und der „Fellhändler“ dazu, die ihrer nicht sehr angesehenen Tätigkeit nachgingen und gerade in Hohenleuben zu bekannten Originalen geworden waren.

Abschließend ging der Vortragende auch aus seiner beruflichen Erfahrung heraus noch ausführlich auf die besonders großen Veränderungen in der Landwirtschaft ein, die das Hohenleubener Alltagsleben bestimmte. Er erlebte noch die „Großbauern“, deren Dienstboten einer strengen „Gesindeordnung“ unterworfen waren und z. B. nur bestimmte schlichte Kleidung tragen durften oder die auch selbst dann zur Ruhe gehen mußten, wenn sich ihre Herrschaft niederlegte.

Das Gesinde war unter sich wieder hierarchisch gegliedert in den Großknecht oder den Kutscher, die Großmagd und die oft noch sehr junge „kleene Määd“, die hier „in Stellung“ war.

Dr. Woll erlebte aber auch noch den „Erbhofbauern“ der Nazizeit und die kleinen „Kuhbauern“, die ihre Kühe als Zugvieh nutzen mußten.

Schließlich entstanden aus der Bodenreform heraus die „Neubauern“ und etwas später durch die Sozialisierung in der Landwirtschaft die „Genossenschaftsbauern“. Diese wiederum waren dann in eine Vielzahl von Berufsgruppen differenziert, die alle heute nicht mehr existieren und von denen die jungen Leute von Heute keine Vorstellungen mehr haben. Da gab es den Traktoristen und den Kombinefahrer, den Zootechniker, der nichts mit dem Tierpark zu tun hatte, den Viehzuchtbrigadier und den Feldbaubrigadier, den Dispatcher und den Agronomen, den VEAB-Aufkäufer und den Milchkontrolleur, den Besamer oder „Rucksackbullen“ und viele andere Tätigkeiten mehr.

 

Vielfältig und bunt waren die beruflichen Tätigkeiten der Menschen in früheren Zeiten. Die allermeisten gehören inzwischen der Vergangenheit an. Die heutigen Berufe aber sind ihrerseits für manche älteren Leute nun ebenfalls ein Brief mit vielen Siegeln, von denen ihnen die Vorstellungen fehlen.

 

Es war ein unterhaltsamer Vormittag, der den Besuchern mit diesem Sonntagsgespräch geboten wurde. Herzlicher Beifall und eine angeregte Diskussion dankten Herr Dr. Ernst Woll für seine Ausführungen.

Friedrich Wilhelm Trebge

20-Mrz-2012 | 2012, Nachlese

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