Die Greizer Reußen im 19. Jahrhundert

Die Greizer Reußen im 19. Jahrhundert – Thema im Hohenleubener Sonntagsgespräch

Das Sonntagsgespräch des Hohenleubener Altertumsvereins (VAVH) war am 20. Mai dem Fürstlichen Haus Reuss Greiz im 19. Jahrhundert gewidmet. Sven Klein, ausgewiesen nicht zuletzt durch Monographien zu einzelnen Angehörigen dieses Geschlechts, ließ auch anhand von Porträtfotos, Dokumenten und Selbstzeugnissen jene politische Umbruchszeit vom Feudalismus zur bürgerlichen Gesellschaft erlebbar werden. Seine Übersicht begann mit Heinrich XI. (1722 – 1800), der – zwar genau genommen noch nicht zum 19. Jahrhundert gehörend – als erster Fürst seit 1778 eine neue Ära einleitete. Er ließ umfangreiche Umbauten am Oberen Schloss vornehmen und das Sommerpalais errichten. Heinrich XI. hatte 11 Kinder. Die Regentschaft übernahm der in österreichischen Diensten stehende Heinrich XIII. (gestorben 1817), von Kaiser Franz II. zum Generalzeugmeister ernannt und in beruflicher Funktion lange Jahre in Nürnberg, Bamberg und Frankfurt/Main tätig. Durch sein diplomatisches Geschick bei Verhandlungen mit Napoleon in Paris, Dresden und Erfurt konnte er für sein Land Schonung und Milderung von Plünderungen erreichen. Obwohl ihm das Angebot gemacht wurde, in französische Dienste zu treten, bewahrte er als Privatmann Treue zum österreichschen Kaiserhaus. Diese Haltung führte dazu, dass sein Land 1815 auf dem Wiener Kongress die Eigenständigkeit behielt und diesem sogar einige Dörfer zugeschlagen wurden. Er ließ, zum  Teil gegen heftigen Widerstand Greizer Bürger, den Obergreizer Lustgarten zum Park im englischen Stil umbauen. In den Beginn seiner Regierungszeit fällt der verheerende Brand von 1802, in dessen Folge das Untere Schloss errichtet wurde.

Sein Bruder Heinrich XIV. (verstorben 1799) war österreichischer Gesandter in Berlin; seine Witwe wurde zur Frau von Eubenberg erhoben und war mit Goethe befreundet. Heinrich XV., ein weiterer Bruder, war unter anderem Generaladjutant von Kaiser Joseph II., Feldzeugmeister und zuletzt Feldmarschall, kämpfte mit den Habsburgern gegen Napoleon und wurde als Gouverneur von Venedig eingesetzt. Eine Gedenktafel für diesen 1825 im 74. Lebensjahr verstorbenen Reußen befindet sich in der Greizer Stadtkirche.

Nach dem Tod von Heinrich XIII. übernahm dessen ältester Sohn Heinrich XIX. (1790 – 1836) die Regierungsgeschäfte. In seine Zeit fällt der Zeulenrodaer Stadtbrand von 1818. Er ließ das Gebäude der Hauptwache errichten und die Stadtkirche fertig stellen. Prägend war seine Gattin Gasparine, eine geborene Fürstin von Rohan Rochefort (1799 – 1871), die als Katholikin vor allem durch ihre Wohltätigkeit, so als Schirmherrin des Frauenvereins, Spuren hinterließ. Der frühe Tod von Heinrich XIII. und die Tatsache, dass er keinen Sohn hatte, brachte dessen Bruder Heinrich XX. (1794 – 1859) an die Macht. Er war in österreichischen Diensten im Königreich Neapel tätig gewesen und ließ sich besonders den Ausbau des reußischen Militärwesens. angelegen sein. An seine erste Frau Sophie, die 1838 nach nur vierjähriger Ehe kinderlos verstarb, erinnert das Weiße Kreuz auf dem Hirschstein. Die zweite Frau, Caroline von Hessen-Homburg, übernahm 1859 die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn. Mit ihr verbunden sind die Kupferstichsammlung und die Gründung von Carolinenfeld. Ihre Treue zu Österreich brachte Greiz 1866 die Besetzung durch preußische Landwehr; die dem Fürstentum  auferlegte Strafe von 10.000 Talern zugunsten des preußischen Invalidenfonds wurde von ihr zur Hälfte aus ihrem Privatvermögen beglichen. Ihr Mann hatte unter anderem den Beitritt zur deutschen Münzkonvention (1839), die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit (1841) und der Frondienste (1853) sowie ein Grundsteuergesetz (1857) bewirkt und den Bau der Gasanstalt in die Wege geleitet. Die von ihm 1848 initiierte Verfassung trat erst mit dem Regierungsantritt seines Sohnes Heinrich XXII., der zugleich der letzte regierende Fürst der Älteren Linie war, in Kraft. Unter der Regentschaft des Letztgenannten trat Greiz ins Industriezeitalter ein. Der Greizer Park, der Neubau mehrerer Kirchen (Herrmannsgrün, Pohlitz, Aubachtal), verschiedene Schulneubauten, die Gründung des Heinrichstifts in Zeulenroda als Kleinkinderbewahranstalt, die Errichtung des Jagdschlosses Ida Waldhaus und des Mausoleums, des Marstalls und des Landkrankenhauses sind Beispiele seines vielfältigen Wirkens. Seine konservative Politik und die Vorbehalte gegen Bismarck sind ihm zu Lebzeiten von vielen zum Vorwurf gemacht worden. Er hatte es aber auch geschafft, dass Reuss Älterer Linie als einziger deutscher Kleinstaat schuldenfrei blieb. Natürlich ging der Referent auch auf seinen durch Krankheit regierungsunfähigen Sohn und die Töchter ein. Alles in allem ein informativer und unterhaltsamer Vormittag.

Dr. Frank Reinhold

20.05.2010

20-Mai-2010 | 2010, Nachlese

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