Stockmacher – ein fast ausgestorbenes Handwerk
Stockmacher- ein fast ausgestorbenes Handwerk
Referent: Herr Michael Geyer, Stockmacher aus Lindewerra
Am Sonntag, dem 21. Mai, war Herr Geyer aus Lindewerra im Museum Reichenfels zu Gast. Er ist der letzte Stockmacher Thüringens und schilderte den 20 Besuchern die fast vergessene Handwerkskunst Stöcke zu fertigen.
In Lindewerra, am heutigen westlichen Rand Thüringens, ließ sich 1836 der Stockmacher Wilhelm Ludwig Wagner aus Göttingen nieder und fertigte aus Eichensprösslingen erste Geh- und Wanderstöcke. Diese wurden bei der damaligen Bevölkerung schnell beliebt und verhalfen dem Ort zu einer Vielzahl an Handwerksbetrieben, den Stockmachern.
Die Stöcke wurden vorzugsweise in der Winterzeit hergestellt, im Sommer arbeiteten die Menschen in der Landwirtschaft.
Die Hochzeit des Stockhandwerkes war zwischen 1900-1930, in einer Zeit, als es noch keine teueren Aluminiumstöcke für Freizeitaktivitäten gab. Nicht nur für Sport, sondern auch als schickes Accessoire war der Stock sehr beliebt. „Nie ohne Stock und Hut“ ging ein Herr in Gesellschaft, der fade Beigeschmack des gebrechlichen, alten Menschen war in der damaligen Zeit nicht das Aushängeschild des Stockes.
Zwischen 1950-1990 gab es in Lindewerra unter der Obhut einer Liefergenossenschaft 10 Betriebe, die 500.000 Stöcke produzierte. 95 % davon gingen in den Export, vorrangig die BRD und Österreich.
Heute gibt es deutschlandweit 2 Stockmacher, Herrn Geyer aus Lindewerra und einen zweiten jenseits der Werra, auf hessischer Seite, von welchen die familiären Wurzeln aber im Ort Lindewerra liegen.
Durch die Wende und den Zeitgeist sind seit dem wichtige Absatzmärkte weggebrochen, der Beruf ist ebenfalls kein anerkannter Ausbildungsberuf mehr.
Die Rohlinge sind heute vorzugsweise aus spanischem Maronenholz, einheimischer Haselnuss oder aus Esche. 32 Arbeitsschritte sind notwendig, um einen Wanderstock zu fertigen.
Der Modesport „Northern Walking“, bekannt geworden durch die Walker mit Aluminiumstöcken, verhalf den Stockmachergewerbe zu einigen Aufschwung, nicht zuletzt, weil die Holzstöcke ein Ausdruck von Individualität sind.
Die Produktionszahlen in Lindewerra stiegen so in den letzten Jahren wieder auf 70.000 Stück pro Jahr.
Wir wünschen Hr. Geyer viel Erfolg bei der Fortführung dieses Handwerkes und regen zu einem Besuch in dem kleinen Dorf an der Werra an.
Am Nachmittag des Sonntages konnten Kinder die Herstellung eines Wanderstockes selbst in die Hand nehmen. Mit Raspel, Säge und Gasbrenner wurden Wanderstöcke mit viel Liebe und Energie gefertigt. Der Stocknagel aus Lindewerra war dann der I-Punkt auf dem Stock.
Weitere Informationen und Kurioses zur Stockmacherei gibt es im Museum Reichenfels, in der aktuellen Sonderausstellung zu erfahren. Das Stockmacherdorf Lindewerra gibt seine Geheimnisse unter www.lindewerra.de preis.
28.05.2017, Markus Freund