Das Zeitungswesen in Zeulenroda von 1882 bis 1945

Das Zeitungswesen in Zeulenroda von 1882 bis 1945

Hohenleubener Sonntagsgespräch mit Hans-Wolf Oberreuter

Nachdem der bekannte Zeulenrodaer Druckereibesitzer Hans-Wolf Oberreuter im Juni 2009 beim Sonntagsgespräch des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben im Museum Reichenfels Aufschlussreiches aus der Geschichte des Zeulenrodaer Pressewesens von 1848 bis 1881 berichtet hatte, folgte kürzlich der lange angekündigte zweite Teil. Vor zahlreichen Interessenten sprach der Genannte am 21. Februar vor allem über die Entstehungsgeschichte der familieneigenen Druckerei und über das Ende der Lokalpresse im dritten Reich. Für Weiteres verwies er ausdrücklich auf die 1932 erschienene, in nicht wenigen Privathaushalten noch erhaltene Festschrift anlässlich des 50. Jubiläums der Firmengründung. Diese erhielt seinerzeit jeder Abonnent des „Reußischen Anzeigers“.

Die Familie Oberreuter kam nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Zeulenroda. Bis ins 19. Jahrhundert hinein verdienten alle Angehörigen ihr Brot als selbständige Zeugweber. Das änderte sich erst, als die Industrialisierung Einzug hielt und dem Privatgewerbe ernsthafte Konkurrenz erwuchs. Der Großvater des späteren Druckereigründers hatte neben drei Töchtern auch drei Söhne. Der älteste, Ernst Oberreuter, war Sparkassenkassierer, Karl hatte günstige Handelsgeschäfte abgeschlossen, die ihm ein Leben als Privatier ermöglichten, und brachte es zum Ehrenamt des 2. Bürgermeisters. Der dritte Sohn, August (I), war technisch interessiert, begründete eine Maschinenfabrik, wirkte aber auch als Gastwirt und Kolonialwarenhändler. Seinem Sohn August (II) ließ er eine vielfältige Ausbildung zuteil werden. Schon als Zehnjähriger musste dieser mit einem Hundefuhrwerk auf dem Bahnhof in Mehltheuer Material holen. Er erhielt aber auch Geigenunterricht und lernte bei einer aus Genf stammenden und zeitweise in Zeulenroda wohnenden Barbiersgattin Französisch. Schon frühzeitig machte er sich in der Druckerei des Herausgebers der „Reußischen Blätter“ Schüppel nützlich und eignete sich Fertigkeiten im damals noch üblichen Handsetzen von Zeitungstexten an. Mit 16 Jahren fand er auf Wanderschaft Arbeit in Genf und wollte anschließend nach Italien und Spanien weiterziehen, während ihm der Vater eher riet, Englisch zu lernen und im Königreich tätig zu werden. Die Pläne zerschlugen sich, zumal ihm der Vater Anfang der 1880er Jahre die briefliche Mitteilung machte, dass Schüppel Zeulenroda verlassen hatte und die Druckereigebäude zum Verkauf standen. August Oberreuter, der damals in Stuttgart in Lohn und Arbeit war, musste zwar erst noch seinen Militärdienst in Ulm ableisten, konnte aber während dieser Zeit die Firmengründung vorbereiten. Er stellte alles selbst zusammen, besorgte moderne Druckmaschinen aus Leipzig und eröffnete am 1. November 1882 seine Druckerei, in der von nun an der „Reußische Anzeiger“ erschien. Auch wenn schon kurz danach der fürstliche Amtsanwalt Louis Anton mit seinem „Tageblatt“ als Konkurrent in Erscheinung trat, erwarb sich die in der Oberreuterschen Druckerei herausgegebene Zeitung bald einen stabilen Leserkreis. Dies war auch dadurch bedingt, dass August Oberreuter (II), ein im übrigen auch technischen Neuerungen gegenüber stets aufgeschlossener Geschäftsmann, sich einen festen unabhängigen Standpunkt bewahrte und auf Aktuelles reagierte, während Anton als Beamter stets regierungstreu auftrat. Er betrieb die Zeitung als Hobby; Oberreuter aber musste davon leben. Da er weit herumgekommen war, hatte er liberalere Ansichten als die meisten Stadtbewohner und leistete sich auch Stellungnahmen zu politischen Ereignissen und gelegentliche Andeutungen von Kritik. Der Referent berichtete von einem Vorfall, bei dem der dominante Kirchenrat Resch während der Predigt des Diakons, seines verhassten Konkurrenten, finster blickend den Kirchenraum durchschritten hatte, um zu sehen, wer jenem lauschte. Anschließend erschien im Antonschen „Tageblatt“ ein vermutlich von Resch verfasstes Gedicht, in dem er sich als Hüter des wahren Glaubens stilisierte. Im „Reußischen Anzeiger“ aber konnte man kurz darauf in Anspielung auf Reschs „Kirchenwanderung“ lesen: „Willst du machen Promenade, wenn Bewegung dir gebricht, suche sie auf anderm Pfade. In der Kirche such sie nicht!“ Mitte der 1920er Jahre hatte das Tageblatt 800 Abonnenten, Obereuters Anzeiger bereits 2000. Ungeachtet dessen nannte sich das Antonsche Blatt noch lange „Hauptblatt für Zeulenroda und Umgebung“. 1928 wurde das inzwischen bedeutungslose Tageblatt schließlich mit dem „Anzeiger“ vereint.

Das „Tausendjährige Reich“ brachte gravierende Einwirkungen. August Oberreuter (III), der inzwischen das Heft in der Hand hatte, war bereits vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Deutschen Reich mit diesen in Konflikt geraten. In Thüringen regierten die Nationalsozialisten schon seit August 1932. In einer Rede hatte der aus Wiebelsdorf stammende Bauernführer Peuckert die Ansichten des „Reußischen Anzeigers“, die der Bewegung entgegenstünden, kritisiert. Daraufhin konnte man unter der Überschrift  „Große Töne eines kleinen Parteistrategen“ in der kritisierten Zeitung einen mit „AO“ (August Oberreuter) unterzeichneten Gegenartikel lesen. 1933 wurde August Oberreuter von der Liste der Schriftleiter gestrichen. Er behielt zwar den Betrieb, durfte aber selbst nichts mehr veröffentlichen. Der offizielle Redakteur Fischer erhielt wie alle Schriftleiter forthin täglich exakte Weisungen aus Weimar über zu meidende oder unbedingt positiv zu behandelnde Themen. Diese Zensur-Zettel waren sofort danach zu vernichten; der Referent konnte eines der Dokumente zeigen, das sich trotzdem erhalten hat. Der „Reußische Anzeiger“ erschien zwar formal bis 1945; spätestens 1940 war jedoch die eigenständige Ortspresse beseitigt. Die 1912 gegründete regionalgeschichtliche Beilage „Heimblätter“ fand 1940 ihr Ende; der „Exil-Zeulenrodaer“ Hans Schaub knüpfte 1982 im Westen Deutschlands mit dem „Karpfenpfeifer“ an die alte Tradition an. Es ist kein Zufall, dass diese Blätter heute erneut im Oberreuterschen Verlag gedruckt werden. Eingestellt wurden in der Kriegszeit auch die landwirtschaftliche und die humoristische Beilage. In der letzten offiziellen Nummer des „Reußischen Anzeigers“ vom 13.4.1945 machte man Werbung für den Rühmann-Film „Quax, der Bruchpilot“. Am Tag darauf marschierten die Amerikaner ein. Nur noch einmal verwendete die jenen planmäßig folgende russische Besatzungsmacht den alten Zeitungskopf, als der sowjetische Stadtkommandant am 8. Juli 1945 seine Bekanntmachungen veröffentlichte. Die Druckerei Oberländer aber besteht, nicht zuletzt dank der Tatkraft der Familie, bis heute.

Dr. Frank Reinhold

Juni 2009

21-Feb-2010 | 2010, Nachlese

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen