Adam Friedrich Zürner (1679 – 1742)
Adam Friedrich Zürner (1679 – 1742) und die sächsischen Postmeilensäulen
Zu einer Zeitreise in die von 1694 bis 1733 reichende Regierungszeit Augusts des Starken hatte Edgar Schwarz aus Neumühle am 20. Januar zum ersten heimatgeschichtlichen Sonntagsgespräch des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins Hohenleuben ins Museum Reichenfels eingeladen. Hier, wo zumeist reußische Themen im Blickpunkt stehen (so hatten sich die Gespräche im November und Dezember 2007 mit der letzten öffentlichen Hinrichtung in Greiz und dem Landadel im Gebiet von Reuß jüngerer Linie beschäftigt), fanden diesmal kursächsische Belange Berücksichtigung. Dies ist durchaus auch aus regionaler Sicht angebracht, gehörte doch der sogenannte Neustädter Kreis und damit viele Orte der näheren Umgebung wie Weida und Berga bis zum Wiener Kongress zum sächsischen Staat.
Die über 60 Erschienenen versetzten sich mit dem Referenten ins beginnende 18. Jahrhundert, als es trotz der Tatsache, dass Kursachsen im Jahre 1705 immerhin über 26 regelmäßig verkehrende Postkurse verfügte, noch kein entwickeltes Netz befestigter und zu allen Jahreszeiten bequem befahrbarer Straßen gab. Berücksichtigen muss man dabei, wie der Referent ausführte, dass damals in Sachsen 88 Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebte. August der Starke, der dem französischen Sonnenkönig nacheiferte und in Italien alte römische Meilensteine gesehen hatte, wollte auch in seinem Land ein florierendes Verkehrswesen schaffen. Den geeigneten Mann für eine exakte Landvermessung als Grundlage für dieses Vorhaben fand er in dem 1679 in Marieney im Vogtland geborenen Pfarrer Adam Friedrich Zürner, der nebenbei „mathematische Erdkunde“ studiert hatte und 1711 mit einer „Spezial-Landt-Karte“ von Großenhain an die Öffentlichkeit getreten war. Diesem erteilte er 1713 den Auftrag zur vollständigen kartografischen „Mappierung“ des Kurfürstentums und der Herstellung einer exakten Postkarte. Ergebnis war die „Chur-Sächsische Post-Karte“ von 1717.
Zürner, der 1716 zum kurfürstlichen Geographen und 1721 zum Land- und Grenzkommissarius ernannt worden war, entwickelte eigens für die Landvermessung einen „geometrischen Wagen“ (eine umgebaute Kutsche mit einer Messeinrichtung), auf unwegsamerem Gelände kam seine „Messkarre“ zum Einsatz. Der „geometrische Wagen“ hatte übrigens ein extra mitgeführtes und bei dem schlechten Straßenzustand durchaus benötigtes Ersatzrad (daraus entstand angeblich das Sprichwort vom „fünften Rad am Wagen“). Zürner bereiste höchstpersönlich mit mehreren Gehilfen (Kondukteuren) in den folgenden Jahren das Land. Vermessungsgrundlage war die Dresdener Rute (etwa 4,5 m); dieser entsprach der Radumfang des Wagens. 1722 beschloss der sächsische Landtag einheitliche Maße im Kurfürstentum. 2000 Ruten ergaben nun eine sächsische Postmeile (etwa 9 km). Zürner empfahl, die seit 1691 auf Befehl des vorhergehenden Kurfürsten Johann Georg III. (Bruder von August dem Starken) aufgestellten hölzernen Armsäulen, deren Haltbarkeit begrenzt war, durch steinerne Wegesäulen zu ersetzen. 1721 erhielt er infolgedessen von seinem Dienstherrn die Anweisung, diese Idee durch die Errichtung von Postmeilensäulen in die Tat umzusetzen. Dafür bekam er eine Generalvollmacht, welche die örtlichen Behörden zur Unterstützung seiner diesbezüglichen Aktivitäten anwies. Diese Säulen (man unterschied Distanz-, Ganzmeilen-, Halbmeilen- und Viertelmeilensäulen), deren genaues Aussehen nach einem Grundentwurf Zürners in der Werkstatt des berühmten Dresdener Bildhauers Pöppelmann festgelegt wurde, waren auf Kosten der jeweiligen Gemeinden zu errichten, was bei diesen nicht nur Freude auslöste. Trotzdem war das Vorhaben im Wesentlichen um 1725 abgeschlossen. Eine Bestandsaufnahme im vergangenen Jahr ergab 208 bis heute (teils nur als Kopie) erhaltene Postmeilensäulen im ehemals kursächsischen Territorium.
Die Entfernungsangaben auf diesen hauptsächlich für Postzwecke gedachten Säulen wurden – sicher auch im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit der eher ungebildeten Bevölkerung – nicht in Postmeilen und Ruten, sondern in Stunden angegeben. Eine Stunde entsprach jener Wegstrecke, die man zu Fuß in 60 Minuten zurücklegen kann (4,5 km); zwei Stunden entsprachen einer Meile. Zur weiteren Differenzierung dienten halbe, Viertel- und Achtelstunden.
Der Referent stellte einige dieser Säulen vor (z. B. in Auma, Neustadt/Orla, Reichenbach, Adorf, Remtengrün, Sträßel, Landwüst, Bad Elster, Neumark/Sachsen und in Mühlanger bei Wittenberg). Der jeweilige Aufstellungsort wurde durch Zürner exakt festgelegt; die Säulen folgen den alten Höhenstraßen.
In der anschließenden regen Diskussion wurde darauf verwiesen, dass sich im früheren Kulturbund Sachsens bereits eine eigene Arbeitsgruppe der Erforschung der Postmeilensäulen widmete und die vom Steinkreuzforscher Gustav Kufahl in den Jahren des Kaiserreichs begonnene Erfassung fortsetzte. Im Gegensatz zu den Zürnerschen „Rutenzetteln“, den exakten Notizen der Landvermessung, die im Dresdener Bombeninferno des zweiten Weltkriegs verbrannten, sind die – teilweise in den Hohenleubener Jahrbüchern, in der Geraer Museumsreihe und im Heimatkalender des Bezirkes Gera ausgewerteten – geographischen Handregister der Grenzkonduktoren, so jenes über das Amt Weida, verfasst im September 1721 durch den aus Geringswalde stammenden Paul Trenckmann, im Dresdener Staatsarchiv erhalten. Das Kriegsschicksal der „Rutenzettel“ teilten leider auch die im gleichen Zusammenhang entstandenen Ortsansichten und Trachtenbilder, von denen glücklicherweise der Elsterberger Chronist Paul Reinhard Beierlein vor ihrer Vernichtung einige der Öffentlichkeit in Publikationen bekannt machte.
Übrigens geht auch der um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Amsterdam publizierte Atlas von Peter Schenk auf Zürners Materialien zurück.
Dr. Frank Reinhold