Adel in Reuß jüngerer Linie

Adel in Reuß jüngerer Linie – eine Annäherung an dessen Lebenswelt

Während über den Hochadel zahlreiche auch die Gesamtproblematik behandelnde Publikationen existieren, hat der Landadel allenfalls Einzeldarstellungen bestimmter Familien gefunden. Das Thema, welches der Vorsitzende des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins Hohenleuben, Udo Hagner, zum letzten Sonntagsgespräch dieses Kalenderjahres am 9. Dezember gewählt hatte, fand deshalb naturgemäß breites Interesse. Knapp 50 Zuhörer hatten sich zu seinen Ausführungen in Hohenleuben eingefunden.

Die Geschichte der Rittergüter und ihrer Besitzer in Reuß älterer Linie ist seit etwa 70 Jahren im bekannten Standardwerk von Herbert Hüllemann nachzulesen. Deshalb und auch auf Grund der Tatsache, dass seine eigenen diesbezüglichen Forschungen sich vor allem auf das Gebiet der jüngeren Linie um Schleiz und Gera konzentrieren, ließ der Referent das von Hüllemann bearbeitete Territorium in seinen Ausführungen beiseite. Er versuchte mit Erfolg, zumindest wesentliche Aspekte der Lebenswelt dieser Bevölkerungsgruppe zu beschreiben. Es wäre zu wünschen, dass die aufschlussreichen Ausführungen perspektivisch zu einer längeren Abhandlung in schriftlicher Form führen, wofür das Hohenleubener Jahrbuch einen geeigneten Platz böte.

In diesem kurzen Bericht, der auf dem freundlicherweise zur Verfügung gestellten Vortragsmanuskript basiert, das auch im Museum Reichenfels vorliegt, können nur inhaltliche Schwerpunkte genannt werden.

Zunächst ging der Vortragende auf die zwei Ursprungsgruppen des landsässigen Adels in Reuß ein:  zum einen Reichsministeriale mit eigenem Herrschaftsgebiet, die sich später den Vögten und deren Nachkommen, den Reußen, unterwerfen mussten (zum Beispiel die Herren von Roben und Gera, die Familiengruppe Röder / Sack, von Reitzenstein oder von Sparneck / Sparnberg und Hirschberg), zum anderen Familien, die bereits als Vasallen anderer Territorialherrscher ins später reußische Gebiet gekommen waren (zum Beispiel die Herren von Beulwitz, von Bünau, von Dobeneck, von Ende, von Kospoth, von Schauroth und von Watzdorf).

Nur wenige Vertreter des regionalen Adels, hob der Referent hervor, saßen auf Burgen; die meisten bewohnten dörfliche Herrensitze, die zumindest in den Anfangszeiten der Besiedlung (12. / 13. Jahrhundert) sehr bescheiden waren. Geadelte Bürgerliche gab es in Reuß übrigens nur wenige, so die Familie Geldern (von Geldern-Crispendorf).

Entgegen einem auch heute noch gern vertretenen einseitigen Geschichtsbild versuchte der Referent, eine differenzierte Sicht zu vermitteln. So stellte er adlige Kunstliebhaber vor (Friedrich von Kospoth,  Hofmeister in Weimar und Unterstützer des Reformpädagogen Wolfgang Ratke; Freiherr von Kospoth auf Mühltroff, ein Komponist des 18. Jahrhunderts). Sowohl der Erstgenannte als auch Hanns Bastian von Zehmen auf Weißendorf und Markersdorf (1629 – 1702) waren Mitglied des „Palmbaum-Ordens“ (Fruchtbringende Gesellschaft)  zur Pflege der deutschen Sprache und Literatur. Herr von Zehmen, der übrigens auch die „Fabian-Sebastian-Stiftung“ für Bedürftige ins Leben rief, aus deren Zinsen bis 1945 sozial Schwache eine Zuwendung erhielten, ließ in Weißendorf unter Bezugnahme auf sein Familienwappen, das ein Schachbrett zeigt, den folgenden Spruch anbringen:

„Was ist der Alten Ruhm, der rechte reine Adel?

Der frommen Tugend Furcht, ein Leben ohne Tadel.

Der Schach bedeutet Fleiß, so in dem Schilde stehet,

der Balken Gottes Hilf, so zweimal hindurch gehet.

Wer nun den Helmen will und seine Federn-Zier

mit Ehren tragen, der, der tue sich herfür

mit Fleiß und geh vor Gott und Menschen recht herein.

Wem dieses nicht gefällt, der soll kein Zehmen sein.“

Derartiger Anspruch ans eigene Leben schloss nicht aus, dass Vertreter des Landadels sich an prunkvollen fürstlichen Beispielen orientierten. Als Illustration diente dem Referenten der Ablauf der Trauerfeier des Hof-. und Forstmeisters Christian Wilhelm von Kospoth zu Zollgrün (1789).

Andererseits gehörte Gewalt zumindest bis ins 17. Jahrhundert  ebenso zum adligen Alltag, man denke an Duelle oder Fälle von Misshandlungen gegenüber Untergebenen. Auch hierfür wurden Beispiele angeführt.

Der erste Versuch, zumindest im groben Überblick Wesentliches zur Geschichte des Landadels in Reuß jüngerer Linie zu erfassen, schloss mit Ausführungen zur ökonomischen Grundlage dieser Bevölkerungsschicht, wobei – im Gegensatz zu ostelbischen Verhältnissen – der umfangmäßig relativ geringe Landbesitz hervorgehoben wurde. Bereits aus dem 14. Jahrhundert gibt es Hinweise, daß auch Verarmung im Adel nicht so selten war; es existieren Beispiele von „blaublütigen“ Bauerngutsbesitzern, denen außer ihrem Namen  nicht viel geblieben war. Für Nachgeborene gab es, wollte man nicht immer weitere Teilungen des Besitzes vornehmen, zumindest bis zur Reformation die Möglichkeit des Klosterlebens. Mitglieder der Familien von Dobeneck und von Kospoth engagierten sich im 15. und 16. Jahrhundert im Deutschen Orden in Preußen. Das Beamtentum in Reuß rekrutierte sich bereits im 16. Jahrhundert zu einem Großteil aus bürgerlichen Schichten, so dass vielfach nur eine militärische Laufbahn offen blieb.

Der Referent zeigte mit seinen Ausführungen, daß eine genauere Erforschung des Themas eine lohnenswerte Aufgabe für die regionale Geschichtsforschung darstellt. Das Publikum dankte ihm mit herzlichem Beifall.

Dr. Frank Reinhold

9-Dez-2007 | 2007, Nachlese

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