Besiedlung des Westerzgebirges

Leitlinien der Besiedlung des Westerzgebirges – aufschlussreich auch für unsere Region

Zum Sonntagsgespräch des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben (VAVH) am 16. Oktober 2011 war Dr.
Hans Jürgen Beyer, Leiter des Stadt- und Dampfmaschinenmuseums Werdau und als Privatdozent ausgewiesener Fachmann zur Thematik, gewonnen worden. Die Teilnehmer der Veranstaltung erlebten einen hochinteressanten und neue Betrachtungsweisen bringenden Vortrag über Leitlinien der Besiedlung des Westerzgebirges.
Zwar besteht dabei kein direkter Bezug zum Gebiet an der Weißen Elster, aber ähnliche und vergleichbare Entwicklungen haben auch hier stattgefunden.

Aus den Aufzeichnungen des Arabers Ibrahim ibn Jakub, der in den Jahren 973/974 im Auftrag des Emirats Cordoba von Magdeburg nach Prag reiste, geht hervor, dass das damals noch völlig unbesiedelte Erzgebirge zumindest durchquert werden konnte. Es muss also (wenn auch noch unbefestigte) Pfade in den wilden Gehölzen und ortskundige Führer gegeben haben, die den zu Fuß Reisenden von den im 7. und 8. Jahrhundert erschlossenen slawischen Siedlungsgebieten nördlich des Gebirges über den etwa 60 Kilometer umfassenden Waldgürtel des Erzgebirges ins böhmische Becken brachten. Erwähnt werden im Bericht die Burg Nerchau bei Oschatz und eine hölzerne Brücke, mit ziemlicher Sicherheit ein Hinweis auf das heutige Most (Brüx). Eingewandert waren die Slawen im 6. Jahrhundert aus östlicher Richtung entlang der Elbe und von dort wieder nach Süden bis in den Altenburger Raum. Ihre charakteristischen Haufendörfer mit Blockflur gruppierten sich um den Dorfplatz herum. Das Altenburger Territorium war dann das Ausgangsgebiet für die Hochkolonisation
des westlichen Erzgebirges im 12. Jahrhundert. Bereits in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden auch im Raum von Ronneburg und Schmölln deutsche Siedlungen (Straßendörfer und als höchstentwickelte Form Waldhufendörfer), wobei jedem Gehöft Land zugewiesen wurde. Die Besiedlung während der etwa 1170 beginnenden Hochkolonisation des westlichen Erzgebirges erfolgte über die böhmischen Steige (Preßlitzer und Frühbusser Steig), die man sich als einfache Hohlwege vorstellen muss. Diese führten auf unterschiedlichen Routen über
Zwickau nach Prag. Zollstation vor dem böhmischen Gebiet war zunächst Schmölln gewesen; 1118 hatte sich diese Funktion nach Zwickau verschoben, dessen neue Kirche mit der Hälfte des böhmischen Zolls ausgestattet wurde. Erstes konkret  fassbares Ergebnis der vom
deutschen Königtum ausgehenden Kolonisation im Westerzgebirge ist die 1173 erfolgte Ausstattung des neugegründeten Klösterleins Zelle durch Kaiser Friedrich I. mit 60 Novalia, also mit neu gerodetem oder zur Rodung vorgesehenem Land. Stifter des Klosters waren die Wettiner, die Herren von Werben auf Hartenstein und die Herren von Meineweh, die sämtlich aus dem unmittelbar nördlich liegenden Vorland an der Saale kamen. Daraus schlussfolgerte der Vortragende, dass auch die ersten Siedler aus diesem Terrain kamen und erst später Menschen aus weiter entfernt liegenden anderen Gebieten kamen. In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass die Dialekt- und
Namenkunde zu teilweise anderen Ergebnissen (sprachliche Bezüge zur Pfalz und zu Oberfranken) kommt, was ohne zumindest spätere einschneidende Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung nicht erklärbar ist. In nur 2 bis 3 Jahrzehnten war das große Werk der Neuansiedlung erfolgreich bewältigt. So konnte es schon 1192 zu einem Streit zwischen dem Kloster Bosau bei Zeitz und dem in Planitz
ansässigen Ludwig von der Planitz um die Bauern des jungen Ortes Marienthal kommen. Aus unbesiedeltem Waldgebiet war innerhalb kurzer Zeit eine besiedelte Kulturlandschaft geworden.

Der Vortragende verwies darauf, dass man das tradierte Bild von großen Siedlerströmen, die das bisher ungenutzte Land erschlossen und
Ortschaften anlegten, so nicht aufrecht erhalten kann. Es müssen zunächst nur kleinere Männergruppen gewesen sein, die ins unwirtliche Gebiet zogen und in mühsamer Arbeit erste Behausungen errichteten. Sie konnten nur das Nötigste mitführen; größere Transporte waren auf den noch unausgebauten Wegen nicht möglich. Der konkrete Ablauf von Ortsgründungen ist bisher wenig erforscht. Auf jeden Fall brauchte man ortskundige Führer, was auch die Beteiligung von Slawen erklärt. Man kann von drei Gruppen ausgehen, die zur Errichtung einer Siedlung nötig waren, wie es von den Cisterciensern überliefert ist: Die erste Gruppe fällte Bäume, die zweite beseitigte das Strauchwerk, und die dritte rodete, wo unumgänglich und nötig, die Stubben. Gerade letzteres war mit primitiven Werkzeugen nur in Ausnahmefällen möglich, so dass man die Felder um die Baumstubben herum anlegte, die durch natürliche Zerfallsprozesse nach etwa 10 Jahren von selbst verschwanden. Zur Gründung einer festen Siedlung hatte man nur wenige Monate vom Frühjahr bis zum Herbst Zeit, denn dann musste man
bereits die erste Ernte einbringen, um den Winter überstehen zu können.
Zeitigstens im Herbst war es sinnvoll, eventuelle Familienmitglieder nachzuholen. Die Befreiung von Abgaben in den ersten 10 Jahren war eine wirtschaftliche Notwendigkeit, denn erst dann konnte man Überschüsse erwarten.

Dr. Frank Reinhold

20-Okt-2011 | 2011, Nachlese

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