Das Projekt Schwalbe V in Berga
Unheilvolle sieben Monate für Berga
Ronny Dörfer über das NS-Projekt „Schwalbe V“ im VAVH-Sonntagsgespräch
Betroffenheit und Fassungslosigkeit machte sich am 17. Januar unter den Zuhörern des Sonntagsgespräches des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben (VAVH) im Museum Reichenfels breit, als Ronny Dörfer über das Projekt Schwalbe V (römisch 5) in Berga an der Elster referierte. Die Tatsache, dass der Raum schier aus den Nähten zu platzen schien, immer neue Sitzgelegenheiten bis zu Klappstühlen herbeigeschleppt wurden und dennoch einige geduldig mit Stehplätzen Vorlieb nahmen, zeigte, dass der VAVH zum ersten Sonntagsgespräch im neuen Jahr den richtigen Nerv bei einheimischem und auswärtigem Besuchern getroffen hatte. Denn trotz ungünstiger Witterungsverhältnisse waren an die 100 Interessierte an dem Thema nach Reichenfels gekommen. Der 40jährige Dörfer, geboren 1976 in Gera, aufgewachsen in Wünschendorf und dort heute noch wohnhaft, überzeugte und fesselte mit fundiertem Wissen aus seinen Studien in Archiven als Hobbyforscher über einen Abschnitt des finstersten Kapitel deutscher Geschichte.
Nach den Vorstellungen und amtlichen Weisungen der nationalsozialistischen Machthaber sollte doch tatsächlich das Hydrierwerk in Zeitz, das u.a. kriegswichtigen Treibstoff produzierte und deshalb von Bombern der Alliierten Streitkräfte ab 1943 zunehmend Angriffen ausgesetzt war, als eines von insgesamt 980 Rüstungsobjekten an einen geheimen bombensicheren Ort Untertage verlagert werden. Neben einigen Örtlichkeiten im Schieferbergbau bei Lehesten wurde letztlich der Standort Berga an der Elster favorisiert. Die Entscheidung pro Berga fiel Ende September 1944. Den Ausschlag dafür, so die Recherchen von Herrn Dörfer, gaben der vorhandene Bahnanschluss, die gute Wassersituation, die leicht zu installierende Stromzuführung und die geologische Stabilität des Gebirges am Fuße der Stadt Berga. Bereits wenige Tage später sei der Baustab unter Leitung des berüchtigten SS-Obersturmführers Willy Hack in Berga angerückt und habe im Ratskeller Quartier bezogen.
Eilig wurden für die Arbeitskräfte Baracken gebaut sowie separate Lager für KZ-Häftlinge aus Buchenwald (2400 kamen zum Einsatz) sowie 300 Kriegsgefangene Amerikaner, Russen, Holländer, Franzosen und Italiener (300). Eine mit deutscher Gründlichkeit akribisch geführte „Arbeitsstatistik“ belegt, dass insgesamt 3480 Arbeitskräfte zum Einsatz kamen darunter 300 aus beteiligten Firmen wie Philipp Holzmann AG, Hoch-Tief oder STRABAG (deren Beteiligung an Rüstungsvorhaben während der NS-Zeit werde man aber in den Firmenchroniken allerdings vergeblich suchen, so die Auskunft des Referenten auf eine Frage in der anschließenden Diskussion). Besonders perfide in der Niederschrift in der von SS-Schergen dominierten Bauleitung die Feststellung, dass ein KZ-Häftling nur als eine Arbeitskraft mit dem Faktor 0,2 zu bewerten sei. Das Fazit von Ronny Dörfer: Die Mehrheit der Bevölkerung wusste Bescheid, die KZ-Häftlinge hätten zum Tagesbild gehört…
Das Vorhaben „Schwalbe V“ betreffend resümiert der Referent, dass zwar 16 Stollen in den Berg getrieben und von den geplanten 20 Millionen Reichsmark 3 Millionen verbaut worden seien. Aber in der Bilanz bei der Schließung des Bauprojektes „Schwalbe 5“ am 10. April 1945 stehen allein unzählige Opfer, die für ein größenwahnsinniges Vorhaben gestorben sind.
Zum Ende des einstündigen Vortrages gab es die Möglichkeit, das von Ronny Dörfer gemeinsam mit Markus Gleichmann herausgegebene Buch „Geheimnisvolles Thüringen“ zu erwerben, das viele Detailkenntnisse vermittelt, Strukturen deutlich macht und die Vorgänge personifiziert. Ein Hinweis von Dörfer: Das Bernsteinzimmer, Gold oder Kunstwerke sind in den Bergaer Stollen definitiv nicht vorhanden!
Volkmar Fischer