Henker und Scharfrichter in und um Gera
„Henker und Scharfrichter in und um Gera“
Das erste heimatgeschichtliche Sonntagsgespräch des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins Hohenleuben im Kalenderjahr 2015 fand am 18. Januar im Museum Hohenleuben- Reichenfels statt. Zum Thema „Henker und Scharfrichter in und um Gera“ sprach Frau H. Heiland , Gera . Im Rechtssystem und im Rechtsverständnis des Mittelalters spielten die Scharfrichter eine wesentliche Rolle, mussten sie doch die von den Richtern bzw. Gerichten verhängten Leibes- und Ehrenstrafen an den Delinquenten vollziehen.
Das Amt des Scharfrichters entsteht ab dem 13. Jahrhundert. Wurde anfangs dieses Amt von einem wechselnden Personenkreis ausgeübt, so entstehen im Laufe der folgenden Jahrhunderte regelrechte Scharfrichterdynastien. Gleichbedeutend sind auch die Bezeichnungen Nachrichter, Büttel, Freimann, Henker; im Volksmund wurde er aber auch als Auweh, Meister Fix, oder Meister Knüpfauf bezeichnet. Der Beruf des Scharfrichters war von je her als „unrein“ und „unehrenhaft“ angesehen.
Der Scharfrichter stand in der sozialen Rangfolge an unterer Stelle. In vielen Gegenden hatte der Scharfrichter möglichst eine auffällige Kleidung zu tragen, in den Wirtshäusern hatte er abseits von allen anderen Gästen seinen Platz und selbst beim Gottesdienst musste er in der letzten Reihe Platz nehmen, der Zugang zu einer Zunft war ihm verwehrt. Er war von seinen Mitmenschen verschmäht. Doch einmal aus einer Scharfrichterfamilie stammend, gab es vor diesem Beruf kein Entrinnen. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Tätigkeit innerhalb der Familie von den Vätern auf die Söhne und wiederum auf deren Söhne weitergegeben wurde. Selbst die Töchter eines Scharfrichters konnten diesen Teufelskreis nicht verlassen. Durch diese soziale Ächtung entstanden aus den einstigen Scharfrichterfamilien regelrechte Dynastien, deren Mitglieder teilweise bis zu 6 Generationen dieses Amt ausübten. Neben der Vollstreckung der Gerichtsurteile musste der Scharfrichter noch weitere unehrenhafte und unreine Tätigkeiten wie das Beseitigen von Tierkadavern, das Reinigen der Latrinen usw. ausführen. Die Scharfrichterstelle war eng mit dem Sitz der Abdeckerei verbunden. Die Wohnstätte des Scharfrichters war stets vor den Toren der Stadt gelegen. Durch seine Tätigkeiten erlangte er eine Reihe von Kenntnissen der menschlichen Anatomie, der Wundheilung und aus der Tierwelt. So gelang es einigen Mitgliedern aus den Scharfrichterdynastien vornehmlich ab dem 18. Jahrhundert sich als Wundärzte, Tierärzte, Wundheiler oder sogar als Chirurg niederzulassen. Im ostthüringischen und westsächsischen Raum waren es vor allem die Dynastien der Familien Brand, Fischer, Oette, Heiland, Günther, die das Scharfrichteramt über Generationen hinweg ausübten. In Gera befand sich die Scharfrichterei ab 1686 außerhalb der Stadtmauern in der Nähe der heutigen Trinitatiskirche, Heinrichstrasse. Die Bezeichnung Meistergäßchen, die bis 1919 einen Durchgang zur Heinrichstraße markierte, ist ebenso ein Hinweis auf die ehemalige Scharfrichterei. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Eingang zu den Arcaden. Ganz in der Nähe, auf dem heutigen Puschkinplatz stand der Rabenstein, hier war die mittelalterliche Hinrichtungsstätte. Der heute noch erhaltene Pranger von 1754 am Geraer Rathaus erinnert auch an dieses Kapitel unserer Geschichte. Das nächste heimatgeschichtliche Sonntaggespräch findet am 15. Februar im Museum Hohenleuben- Reichenfels statt. Der Vereinsvorsitzende Herr Dr. U. Hagner spricht zum Thema: „Eine Gemeindeversammlung in Kraftsdorf 1669 und das Vierfachverlöbnis in Pörnitz (1665- 1669)“. Beginn 10.00 Uhr. Alle Interessenten sind zu dieser Veranstaltung recht herzlich eingeladen. 20.01.2015/ J. Zorn