Industrielle Entwicklung Ostthüringens im 19. Jahrhundert

Als die Gewerbefreiheit Einzug hielt – Falk Burkhardt berichtet über die industrielle Entwicklung Ostthüringens im 19. Jahrhundert

Der Festvortrag zur diesjährigen Jahreshauptversammlung des Hohenleubener Altertumsvereins (VAVH) am 15. August 2009 war der Wirtschaftsentwicklung  Ostthüringens im 19. Jahrhundert gewidmet. Der Jenaer Historiker Falk Burkhardt, der auch Geschäftsführer der thüringischen Historischen Kommission ist, wandte sich damit einem durchaus noch erforschenswerten Thema zu. Die Industrialisierung Ostthüringens fand zwar in verschiedenen auf Orte, Firmen oder Branchen bezogenen Einzeluntersuchungen Beachtung, eine zusammenfassende und auch überregionale Tendenzen einschließende Darstellung fehlt jedoch bisher. Einbezogen werden müssten sowohl die Territorien des ehemaligen Sachsen –Altenburg, der beiden reußischen Staaten und von Sachsen-Weimar zumindest der Neustädtische Kreis; dazu kommen die Regionen um Saalfeld und Pößneck sowie die preußische Exklave Ziegenrück. Wesentliche Impulse thüringischer  Wirtschaftsentwicklung gingen von Sachsen aus; Vorreiter war natürlich England gewesen, so dass man durchaus von einer gesamteuropäischen Entwicklung sprechen kann.

Die kleinstaatlichen Verhältnisse des beginnenden 19. Jahrhunderts und die dadurch bedingten administrativen Grenzen waren ein Hindernis für die Entfaltung der eigentlich zusammenhängenden Gewerbe- und Wirtschaftsregionen. Erst der deutsche Zollverein intensivierte die notwendige Zusammenarbeit der Einzelstaaten mit ihren bis dahin bestehenden unterschiedlichen Maßen und Gewichten. Wesentlich war die in den 1860er Jahren endgültig auch in den thüringischen Staaten durchgesetzte Gewerbefreiheit. Die über Jahrhunderte geprägte Struktur der befestigten Städte und die mehr oder weniger strenge Trennung der Stadt- von der Landbevölkerung löste sich allmählich auf; Landbewohner zogen in großen Mengen in die Städte und fanden Arbeit in der sich dort entwickelnden Industrie. Die Agrarreformen brachten wichtige rechtliche Veränderungen mit sich; die Agrarwissenschaft ermöglichte eine intensivere Ausnutzung des Bodens und dadurch eine bessere Versorgung der Bevölkerung. Die Entwicklung leistungsfähiger Maschinen, wobei vor allem die nun bewältigte Dampfkraft eine große Rolle spielte, bot die Voraussetzung für Massenproduktion und konnte auch im Transportwesen nutzbringend eingesetzt werden, nicht zuletzt zum Heranholen der benötigten Rohstoffe. Ein leistungsfähiges Banken- und Kreditwesen stellte die Finanzierung für die Industrie sicher.

Im Einzelnen behandelte der Referent die Anfänge industrieller Entwicklung in Altenburg, Gera, Greiz, Saalfeld und Schleiz. Er konnte aufzeigen, dass sich der ostthüringische Raum trotz des Fehlens montaner Schwerindustrie zu einem deutschlandweit führenden Wirtschaftszentrum entwickelte; durch seine zentrale Lage hatte Thüringen Brückenfunktion. Das Gebiet um Gera und Greiz wies eine der größten Industriedichten Deutschlands auf, wofür natürlich in erster Linie die Textilindustrie verantwortlich war. Erste Kammgarnspinnereien entstanden z. B. in Greiz und Gera 1811, in Ronneburg und in Schleiz 1824.  Übrigens war der wirtschaftliche Aufschwung auch in kleineren Orten spürbar: So errichtete der Rittergutsbesitzer von Seckendorf in Burkersdorf bei Weida bereits 1810 eine moderne Fabrikanlage, und in Waltersdorf bei Berga hatte ein Reichenbacher Fabrikant in der dortigen Wassermühle um 1840 ähnliche Pläne, die allerdings ein Schadensfeuer zunichte machte. Insgesamt  herrschte eine außerordentlich breit gefächerte Mannigfaltigkeit des Wirtschaftslebens. Genannt werden muss unbedingt die thüringische Porzellanindustrie. Weitere thüringische Wirtschaftszweige, von denen allerdings nicht alle Ostthüringen erfassten, waren die Glasherstellung, der Olitätenhandel, die Spielzeugherstellung, der Maschinenbau oder die Fabrikation von Pfeifen und Knöpfen.

Der aufschlussreiche Vortrag soll im nächsten Hohenleubener Jahrbuch veröffentlicht werden. Es wäre zu wünschen, dass er Anregung gibt, dieses interessante Kapitel der Geschichte unserer Region noch intensiver zu erforschen.

Dr. Frank Reinhold

15-Aug-2009 | 2009, Nachlese

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen