Kleintierhaltung in der Kleinstadt
Erinnerungen an die frühere Haustierhaltung in und um Hohenleuben
Beim heimatgeschichtlichen Sonntagsgespräch des VAVH am 21. Oktober 2012 plauderte der bekannte Erfurter Tierarzt und gebürtige Hohenleubener Dr. Ernst Woll über seine Erinnerungen und Erlebnisse mit der Haustierhaltung seit den dreißiger Jahren. Dazu hatte der rüstige Heimatforscher eine große Zahl von historischen und aktuellen Fotos zu Stallungen und Tierhaltung allgemein zusammengetragen, die bei den Teilnehmern viele Erinnerungen weckten. Als roter Faden zog sich durch die Darlegungen der sinnvolle Tierschutz als Aufgabe des Menschen hindurch, der sich aus welchen Gründen auch immer mit der Haltung und Pflege von Tieren befassen muß oder befaßt. Dazu konnte Ernst Woll, der sich mit diesen Fragen seit seiner Kindheit beschäftigt, auch in seiner Eigenschaft als Mitbegründer und langjähiger Vorsitzender, heute Ehrenvorsitzender, des Erfurter Tierschutzvereins kompetent sprechen.
Tiere artgerecht zu halten und vor Quälereien, auch gut gemeinten, zu schützen sei das Hauptanliegen. In der Vergangenheit, leider auch mitunter heute noch, erfordert primitive und tierquälerische Haltung einen sachlichen Tierschutz. Er definierte Haustierhaltung als die eigenverantwortliche Sorge des Menschen für ein Tier, über das er das Verfügungsrecht hat. Früher wurden nahezu in jedem Anwesen Hohenleubens Nutztiere gehalten. Der Referent belegte seine Ausführungen bei den einzelnen Tierarten jeweils mit statistischen Angaben aus Viehzählungen oder heute von Tierseuchenkassen.
Dann beschäftigte sich Dr. Woll mit den einzelnen Haustierarten.
Katzen wurden ausschließlich als Mäusefänger gehalten. Sie hatten aber freien Auslauf. Dabei entstand das Problem der Nachwuchssteuerung, das man früher in brutalster Weise u.a. durch Prellen oder Ertränken der Jungtiere zu lösen suchte. Heute versuchen Tierschutzvereine durch fachgerechte Kastration freilaufender Katzen eine Lösung zu schaffen. Zur Mode geworden ist die Katzenhaltung als „Stubentiger“ oder „Schmusekater“. Dabei muß unbedingt auf mehr artgerechte Haltung geachtet werden.
Aufgabe der Hunde war fast ausschließlich als Wächter und Beschützer des Anwesens zu wirken. Die Haltung beschrieb schon Dr. J. Schmidt in seiner „Topografie der Pflege Reichenfels“ in Hundelöchern und Hundehütten als charakteristisch. Heute gibt es seit 2001 eine Hundeschutzverordnung, die nicht nur Kettenlänge und Zwingergröße sondern auch Auslauf und Betreuerpflichten festlegt.
Die Schweinehaltung betraf eine der bedeutendsten Nutztierarten. Üblich war die Haltung in Koben oder Buchten. Das Problem war besonders der Stallboden, der oft aus Schalhölzern zur Vereinfachung der Pflegearbeit bestand. In den 50er und 60er Jahren wurden Schweinehütten als Gegenstück zu den Offenställen propagiert. Eine andere noch schlechtere Haltungsform war die Anbindehaltung, die zu schweren Verletzungen führen konnte und heute verboten ist. Zwangsabferkelbuchten oder Käfighaltung von Läufern kamen zur Anwendung. Seit den 7oer Jahren ist man zu Schweinemastanlagen für bis zu 50 000 Tiere übergegangen, die mit entsprechenden Vorschriften bis heute in Betrieb sind.
Schafe und Ziegen sind schon früher und bis heute die am natürlichsten gehaltenen Tierarten. Die Haltung von Ziegen nimmt heute wieder deutlich zu. Als „Kuh des kleinen Mannes“ war die Ziege früher besonders beliebt. Da Ziegenmilch nicht ablieferungspflichtig war, konnte man ohne Sorgen alle Milchprodukte wie Käse, Butter, Quark mit einfachsten Mitteln selbst herstellen. Sogar als Zugtier wurde die Ziege genutzt.
Eine weitere Nutztierart der kleinen Leute waren die Kaninchen, die besonders in den schlechten Zeiten in Größenordnungen eine alternative Fleischversorgung sicherten. Ursprünglich als „Kuhhase“ im Rinder- oder Ziegenstall mit gehalten, setzte sich dann die Käfighaltung in primitiven „Kaninchenställen“, mitunter einfach aus alten Schränken oder Kisten zusammengebaut, bei der Haltung durch. Heute gibt es Großanlagen für Käfig- oder Bodenhaltung ähnlich der Geflügelproduktion.
Die Rinderhaltung war und ist noch heute die wohl bedeutungsvollste Nutztierhaltung. Vom großen Bauerngut bis zum Kleinbauernhof, ja oft sogar bei den Häuslern waren selbstverständlich Kühe eingestellt. Dabei war die Milchproduktion am wichtigsten. 1957 wurde ein Hohenleubener Bauer ausgezeichnet, weil seine Kühe eine Leistung von 3500 l pro Jahr brachten. Heute bringt eine Leistungskuh bei entsprechender Haltung und Pflege mehr als 15000 l/a. Die Frage ist, ob man hier nicht vielleicht von Doping sprechen sollte. Nach der Anbindehaltung in den bekannten ortsüblichen Kuhställen wurde in den 50er Jahren der „Offenstall“ als das non plus ultra der Rinderhaltung angepriesen und sogar teilweise mit politischem Druck durchgesetzt. Für Hohenleuben war das der Offenstall in Mehla. Heute gibt es in der Stadt kaum noch individuelle Rinderhaltung. Die moderne artengerechte Milchviehanlage Daum-Daum-Lautenschläger ist an diese Stelle getreten.
Die Pferdehaltung hatte einmal große Bedeutung für die Forstwirtschaft als Zugtier zum Holzschleppen, die Landwirtschaft als Zugtier bei den unterschiedlichsten Arbeitsschritten, als Reit- und Kutschpferd, im Reit- und Turniersport und leider auch für den Einsatz als Reit- und Zugtier im Kriege, wo ungezählte Tiere jämmerlich zugrunde gingen. Die erhaltenen Pferdeställe in den ehemaligen Bauernhöfen erinnern daran, daß das Gespann einmal der Stolz des Bauern war. Bis in die 80er Jahre ging aber die Zahl der Pferde rapide zurück, ist aber jetzt wieder auf aufsteigendem Ast durch die unterschiedlichste Freizeitnutzung.
Den Abschluß des Vortrags bildete die Geflügelhaltung, die ja durch die öffentlichen Diskussionen über Käfighaltung, Bodenintensivhaltung und natürlichen Auslauf, wie er in Hohenleuben schon früher die Regel war, im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand. In Hohenleuben sind die Probleme durch die 1959 eingerichtete Hühneraufzucht- und -mast-anlage der LPG allgemein bekannt gewesen.
Zuletzt wies der Referent noch auf die Bienenhaltung als ebenfalls wichtigen Zweig der Nutztierhaltung hin.
Lebhafter Beifall dankte dem Referenten für seinen interessanten und mit viel Humor dargebotenen Vortrag.
Fr.iedrich Wilhelm Trebge