Letzte öffentliche Hinrichtung in Greiz
Die letzte öffentliche Hinrichtung in Greiz – Vortrag im Hohenleubener Altertumsverein
Verbrechen aus Leidenschaft hat es immer gegeben, und sie werden auch in Zukunft nicht ausbleiben. Dabei erregen offensichtliche Fälle das dauerhafte Interesse wohl weniger als solche, die zwar aufgeklärt werden, bei denen aber doch noch ein Rest an Zweifel über den Ablauf besteht. Das heutige Bedürfnis an Sensationen befriedigen die Massenkommunikationsmittel, vor allem das Fernsehen, mit dem man fast unmittelbar dabei sein kann, ohne sich zum Ort des Geschehens bewegen zu müssen.
In ferneren Zeiten waren öffentliche Hinrichtungen für Jung und Alt ein Anlass zum persönlichen Erscheinen. Diese grausigen, das sensationsgierige Publikum anziehenden und zumindest vorgeblich der Abschreckung dienenden Veranstaltungen gibt es bei uns längst nicht mehr. In Greiz fand eine solche Exekution letztmalig vor 143 Jahren statt; es soll auch eine der letzten in Deutschland gewesen sein.
Am 21. November 1864 wurde unter Beteiligung einer großen Menge Schaulustiger, für die extra eine Tribüne errichtet worden war, auf dem Gelände des Kammerguts Dölau die zunächst im Leininger Gemeindehaus und dann zur Miete im Haus des dortigen Webermeisters Friedrich Traugott Feustel wohnende Hefehändlerin Marie Rosine geschiedene Strauß geborene Hemmann mit dem Beil hingerichtet. Sie wurde beschuldigt, die Ehefrau ihres Geliebten, des genannten Webermeisters, auf dessen Anstiftung am 17. Dezember 1861 mit einem Strick erdrosselt zu haben. Nach der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, die bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches im Mai 1862 – und also auch noch zum Zeitpunkt des Verbrechens – galt, erhielt der an der Ausführung der Tat nicht beteiligte Anstifter lediglich eines lebenslange Zuchthausstrafe (er starb 1870 an Typhus). Ein Bruder Feustels war übrigens Stadtkirchner in Zeulenroda.
Die näheren Umstände des Geschehens und die spannende, schrittweise Aufklärung des wirklichen Tatverlaufs waren am 18. November das Thema des heimatgeschichtlichen Sonntagsgesprächs deds VAVH. Trotz des nebligen Wetters (oder vielleicht gerade wegen der zum düsteren Geschehen passenden Witterung) hatten sich etwa 30 Interessenten eingefunden, um den Ausführungen des Leiters des Thüringischen Staatsarchiv Greiz, Hagen Rüster, zu lauschen. Als Archivar sozusagen an der Quelle sitzend, konnte der Vortragende auf die Originaldokumente zurückgreifen und diese auch mit Porträtfotos der Täter und der untersuchenden Amtspersonen ergänzen. In Verbindung mit heutigen Aufnahmen der Handlungsorte gelang es ihm, das Geschehen auf eindringliche, packende Weise nacherlebbar zu machen. Zu bedenken ist, dass es damals noch keine Möglichkeit der Verwertung genetischer Spuren (z. B. in den Blutflecken) gab oder dass Fingerabdrücke als Beweismittel noch unbekannt waren. So war man teilweise rein auf Indizien angewiesen, und ohne das letztendliche Geständnis der Täterin, die zwei Kinder, darunter einen mit Feustel gezeugten Sohn, hinterließ, wären die näheren Umstände wohl weiter im Dunkeln geblieben.
Im Rahmen dieses Berichts kann nicht auf Einzelheiten des Geschehens eingegangen werden. Die wesentlichen Fakten sind in zwei Aufsätzen nachlesbar, die vor mehreren Jahren erschienen (Hagen Rüster: Schuld und Sühne – die letzte öffentliche Hinrichtung in Greiz, Greizer Heimatkalender 2000; Sven Michael Klein: Schuld und Sühne – die letzte öffentliche Hinrichtung … aus dem privaten Blickwinkel der Fürstin Caroline, Greizer Heimatkalender 2001). Dem Vortragenden, der neben dem Tatgeschehen auch den Alltag der Dorfbevölkerung vor anderthalb Jahrhunderten lebendig werden ließ, sei für diesen aufschlussreichen Vormittag gedankt.
Dr. Frank Reinhold