Musikpflege in den reußischen Residenzen

Musikpflege in den reußischen Residenzen – aus den Forschungen von Prof. Hans Rudolf Jung

Wiederum zahlreiche Interessenten hatten sich am 21. Oktober in den Räumen des Museums Hohenleuben-Reichenfels zum Sonntagsgespräch eingefunden, um den Ausführungen des Musikwissenschaftlers Prof. Dr. Hans Rudolf Jung zu folgen.

Bevor der international renommierte Forscher seinen mit Spannung erwarteten Vortrag hielt, gedachten die Teilnehmer in einer Schweigeminute des bekannten VAVH-Mitglieds Lienhard Noll aus Lunzig, der wenige Tage vorher unerwartet 68-jährig in seinem Urlaub in den Niederlanden verstorben war.

Der Referent Hans Rudolf Jung, am 1. Juli 1921 in Greiz geboren und heute in Kassel wohnhaft, war von 1972 bis 1980 Rektor der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Den Heimatfreunden der Region ist er vor allem durch seine Publikationen zur reußischen Musikgeschichte bekannt. So publizierte er neben kleineren Aufsätzen (u. a. im Greizer Heimatkalender der letzten Jahre) bereits 1963 die „Geschichte des Musiklebens der Stadt Greiz bis zum Stadtbrand von 1802“, 1998 folgte der Ergänzungsband “150 Jahre Musikleben in der Residenz- und Industriestadt Greiz“. Im Sonntagsgespräch stellte er seine jüngste und nach eigener Aussage abschließende Reuß betreffende Veröffentlichung vor, den im Hain Verlag in diesem Jahr herausgekommenen Band „Musik und Musiker im Reußenland. Höfisches und städtisches Musikleben in den Residenzen der Staaten Reuß ä. L. und j.L.vom 17. bis 19. Jahrhundert“.

Der Vortragende ging zunächst auf seine Herkunft als „Thüringer und Reuße“ ein, die seine Interessen schon in jungen Jahren prägte. So entdeckte er ein 1617 erstelltes Gutachten von Heinrich Schütz (1585 – 1672) zur Neuordnung der Hof-, Schul- und Stadtmusiken in Gera und beschäftigte sich mit dem Lobensteiner Komponisten Georg Andreas Sorge (1703 – 1778) und dessen Briefwechsel mit Georg Philipp Telemann (1681 – 1767).

Das nun vorliegende Buch, die Krönung seiner reußischen Forschungen, behandelt ausführlicher das Musikleben in den reußischen Residenzen Greiz (Ober- und Untergreiz), Gera, Schleiz. Lobenstein, Köstritz und Ebersdorf, wobei vor allem zu Köstritz und Ebersdorf weiterführende Erkenntnisse gewonnen wurden. Neu entdeckte Quellen, so ausführliche Beschreibungen der musikalischen Umrahmungen von Hochzeiten in Reuß-Untergreiz (1630) und Reuß-Obergreiz (1648), ein Geraer Aktenstück über Organisten (1724 bis 1831, aufgespürt von Sven Klein) oder. Kompositionen bisher unbekannter Schleizer Musiker (Hering, Haller, entdeckt in Bösenrode) bereichern die Kenntnis zum Thema. Die Darstellung zum 19. Jahrhundert ist nach Selbsteinschätzung Professor Jungs durchaus noch „ergänzungsbedürftig“; so fehlen Ausführungen zur bürgerlichen Instrumentalmusik, zu Gesangsvereinen und instrumentalen Laienmusikvereinigungen. Ausgangspunkt für diese Publikation war eine Anregung des Präsidenten der „Ständigen Konferenz für Barockmusik“ in den mitteldeutschen Ländern. Professor Jung plädierte dafür, auch kleinere Residenzen wie Rothenthal, Dölau, Burgk, Saalburg oder Hirschberg zu untersuchen, über deren Musikleben bisher wenig bekannt ist. So verwies er auf die Tatsache, dass Heinrich V. ä. L. Reuß-Rothenthal mit einer Schwester des kunstsinnigen Braunschweiger Herzogs verheiratet war, was durchaus Auswirkungen auch in Rothenthal gehabt haben könnte. Seine Forschungen über Ebersdorf sollen von jungen Forschern in Mainz weitergeführt werden; wertvolle Unterstützung erhielt er in Ebersdorf selbst, vor allem von Dr. Fiedler.

Anhand von Lebensläufen, so von Heinrich XXIV. Reuß-Köstritz (gestorben 1748 in Greiz), einem Freund des Pietisten August Hermann Franke, und der Auswertung anderer zeitgenössischer Quellen vermittelte der Referent einen Einblick in das musikalische Leben der reußischen Residenzen, das durchaus auch von Rivalitäten der Zweigherrschaften geprägt war, welche sich ihrerseits auf die finanziellen Möglichkeiten der Musikpflege auswirkten. Nicht zuletzt deshalb blieb der später berühmte Johann Friedrich Fasch nur zwei Jahre in Greiz.

Den Abschluss der mit viel Beifall bedachten Ausführungen bildeten Auszüge aus Briefen der mit Heinrich II. Reuß-Köstritz verheirateten Clothilde Charlotte Gräfin Castell-Castell über die letzten Tage des dieser Reußen-Familie befreundeten Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847). Das neue, außerordentlich aufschlussreiche Buch kann auch im Museum Reichenfels zum Preis von knapp 25 Euro erworben werden.                                                                                              Dr. Frank Reinhold

21-Okt-2007 | 2007, Nachlese

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