Plauener Musikantenbuch

Ein Plauener Musikantenbuch des 17. Jahrhunderts als kulturgeschichtliche Quelle

Das jüngste Sonntagsgespräch am 15.02.2012 des Hohenleubener Altertumsvereins war einem kulturgeschichtlichen, in der Öffentlichkeit nur wenig bekannten Kleinod gewidmet, dem Plauener „Sertum musicale“ aus den Jahren des Dreißigjährigen Krieges. Wie der Referent,  der Plauener Musikwissenschaftler Dr. Albin Buchholz, mitteilte, war diese inhaltlich und künstlerisch wertvolle Handschrift bereits 1988 anlässlich der Kulturbund-Feierlichkeiten zum 300. Todestag des Kometenpfarrers Georg Samuel Dörffel entdeckt worden. Die sächsische Landeskirche in Dresden erteilte seinerzeit die Genehmigung zur Publikation; durch ein Referat von Dr. Buchholz in Bad Köstritz wurde die Aufmerksamkeit der damaligen Leiterin des Heinrich-Schütz-Hauses, Frau Dr. Stein, auf die Handschrift gelenkt. Seit Frühjahr 1997 existiert die zweibändige Ausgabe dieser bibliophilen Besonderheiten, von der in Sachsen nichts Gleichwertiges bekannt ist.

 

 

Der Referent ging zunächst die Geschichte derartiger Aufzeichnungen    ein. Autoreneinträge in Bücher und Autogramme sammelte man bereits   in der Reformationszeit. Später fanden meist  studentische    Stammbücher große Verbreitung. Diese Leidenschaft beschränkte sich    zunächst auf die höheren und gebildeteren Stände. Man hielt auf diese    Weise Erinnerungen an Personen, mit denen man während des Studiums  oder der Kavaliersreisen bekannt wurde, fest. Das „Poesie“ unserer  eigenen Schulzeit ist letztendlich Abkömmling der alten Traditionen  gewesen.

 

Das Plauener „Sertum musicale“ oder „Musikalische Kränzlein“, so lautet der Titel in deutscher Übersetzung, ist ein Manuskript, in dem sich die Mitglieder und Förderer des 1615 gegründeten Chorus Musicus Plavensis durch kalligraphisch gestaltete und inhaltlich geistreiche Einträge verewigt haben.

Wie aus dem kunstvoll gestalteten Titelblatt von 1637, gefertigt vom damals 28jährigen Plauener Heinrich Elsner, hervorgeht, war ein Vorgänger dieses Buches 2 Jahre vorher beim Stadtbrand ein Raub der Flammen geworden. Nun hatte man, ermöglicht durch Geld- und Sachspenden, mitten in den Kriegswirren die Schaffung einer neuen derartigen Handschrift in Angriff genommen. Von den 368 Seiten des in dunkelbraunes Leder gebundenen Buches  sind weniger als 100 tatsächlich beschrieben; offenbar wollte man Raum für weitere Eintragungen frei halten. Jeder, der sich ins Chorbuch eintrug, förderte gleichzeitig das dortige musikalische Leben durch finanzielle oder ideelle Zuwendung. Man findet neben den eigentlichen Mitgliedern auch andere Musikliebhaber und natürlich auch Prominente aus der Geistlichkeit, der Stadtverwaltung oder dem Adel. Die Sprüche sind nahezu vollständig musikalisch determiniert; neben deutschen Eintragungen treten auch lateinische, hebräische, griechische und französische in Erscheinung. Sie handeln von Liebe, Glaube, Freundschaft und menschlicher Würde als erstrebenswerte Eigenschaften. Durchzogen sind alle von der Liebe zu Gott und zum musikalischen Schaffen. Der bereits erwähnte Kometenpfarrer hat zum Beispiel einen längeren Dialog von Plato über die Musik beigesteuert. Man glaubte daran, dass Singen und Musizieren auch im Jenseits im Chor der Engel einen gültigen Wert behalte. Durch die gediegene und geschmackvolle Gestaltung schlägt das Manuskript die Brücke von der Tonkunst zum Schrifttum. Gelegentlich finden sich auch kurze Melodien in so genannter Mensuralnotation. Wer es sich leisten konnte und die nötigen Beziehungen aufwies, hat für die Gestaltung seines Eintrags  Hilfe professioneller Schreiber in Anspruch genommen, wie man mitunter beim Vergleich von Text und Unterschrift feststellen kann. Illustrationen in den Randleisten bieten wertvolle Einblicke,

welche Instrumente bekannt waren und wie das Aufnahmeritual in den Chorus verlief. 

So konnten die Zuhörer einen Eindruck davon gewinnen, wie Kultur auch in Zeiten des    Dreißigjährigen Krieges dabei half, die Alltagssorgen geistig zu überwinden. Zwei klug  ausgewählte zeitgenössische Musikbeispiele unterstützten die Ausführungen wirkungsvoll.

Dr. Frank Reinhold

 

 

8-Mrz.-2012 | 2012, Nachlese

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