Rauchklub – Qualm – in Göhren-Döhlen
Der Pfarrer organisierte einst das Kulturleben – vom Rauchklub „Qualm“ in Göhren – Döhlen
Bei schönstem Wetter trafen sich am 16. September Mitglieder und Freunde des Vogtländischen Altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben (VAVH) zum ersten Sonntagsgespräch im neuen Vereinsjahr, diesmal außerhalb der Mauern des Museums Reichenfels. Ziel der Teilnehmer war das malerisch gelegene Dörfchen Döhlen, wo Ortsbürgermeister und Vereinsmitglied Andreas Brandt das zahlreiche Publikum begrüßte und durch das Denkmalensemble „Kirche und Pfarrhaus Döhlen“ führte. Kurzen Ausführungen über den 1230 erstmals erwähnten slawischen Rundling der „Talbewohner“ folgten in der von 1749 bis 1751 erbauten Kirche Erläuterungen zu dieser und ihren Vorgängern und der heutigen und früheren Ausstattung. Erwähnung verdienen zum Beispiel die zwar im zweiten Weltkrieg auf Befehl eingelieferten, aber glücklich erhaltenen alten Glocken aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und von 1511, letztere ein Werk des bedeutenden Schleizer Glockengießers Markus Rosenberger. Die dritte, kleinste und älteste Glocke war auch im Krieg auf dem Kirchturm geblieben. Da diese Glocken einer übrigens auch von anderen Orten erzählten Sage nach in lange zurückliegenden Zeiten, wohl im Dreißigjährigen Krieg, zum Schutz vor plündernden Soldaten vergraben wurden, die daran Beteiligten aber starben und das Geheimnis mit ins Grab nahmen, musste man warten, bis sie Schweine zufällig beim Wühlen in der Erde wieder ans Tageslicht brachten. Seitdem läuten sie, wie der Volksmund wissen will, „Glock Sau auswühl“. Die Orgel wurde um 1760 durch die Firma Trampeli gebaut, wie man erst in den letzten Monaten herausfand. Der barocke Taufengel wird derzeit restauriert. Nicht vergessen werden soll, dass im Gotteshaus eine Plastik der Bildhauern Elli Viola Nahmmacher steht.
Auf dem Friedhof befindet sich das Grab des durch seine heimatkundlichen Aktivitäten, vor allem als Verfasser der drei Bändchen „Heimatklänge aus dem Weidatal“ bekannten Döhlener Pfarrers Friedrich Wilhelm Kühne (1890 – 1964). Sowohl dieser als auch seine Amtsvorgänger waren Mitglied im Hohenleubener Verein; Pfarrer Benjamin Meißner zählte 1825 zu dessen Gründungsvätern.
Anschließend ging es in die Gewölbe des „Bierhöhlers“ gegenüber dem Pfarrhaus. Hier lagerte man in früheren Zeiten in der Dorfschenke und im Pfarrhaus gebrautes Bier und auch Wein. Dieser Höhler ist seit 1903 der Öffentlichkeit zugänglich.
Das Pfarrhaus selbst, dessen jetziges Aussehen auf das Jahr 1712 zurückgeht, als Pfarrer Christian Fischer im Ort wirkte, ist heute auf Grund der Vakanz der Pfarrstelle nicht bewohnt. In den Räumlichkeiten konnten die Teilnehmer an Hand eines kleinen Diavortrags und der ortsgeschichtlichen Ausstellung weitere Erkenntnisse gewinnen. Die überdachte Holzbrücke zur Pfarrwiese, deren Vorgängerbau 1799 bei einer großen Eisfahrt einstürzte, besitzt als Besonderheit zwei Toilettenhäuschen.
Den letzten, nicht minder interessanten Teil des Sonntagsgesprächs hatte Willi Rocktäschel übernommen. Im Garten in unmittelbarer Nähe des 120 Jahre alten Magnolienbaumes berichtete er über Geschichte und Gegenwart des Döhlener Rauchklubs „Qualm“. Bereits 1900 war in Weida ein 40 Mitglieder umfassender Rauchverein gegründet worden; die Mitgliederzahl war durch die Größe der zur Verfügung stehenden Gaststätten begrenzt. Das bewog einen Zigarrenhändler aus Kassel, in den Dörfern der Umgebung nach geeigneten Lokalitäten für weitere Gründungen zu suchen. Einen willigen Mitstreiter fand er im Döhlener Pfarrer Karl Schimmel, dem es gelang, die Ortsbewohner für die Idee eines eigenen Döhlen-Göhrener Rauchklubs „Qualm“ zu begeistern. Dieser Klub bestand bis zu seinem 1936 durch die Nationalsozialisten erfolgten Verbot. Obwohl Pfarrer Kühne, der schon vor 1933 Mitglied der NSDAP war und 1929/1930 als Nachfolger Pfarrer Schimmels ins Dorf kam, versucht hatte, das Programm des Klubs auf die Ziele der neuen Herrschenden auszurichten, war sein Bestreben nicht von Erfolg gekrönt. Die konservativen Bauern wollten sich offenbar nicht politisch instrumentieren lassen. Ein Versuch der Wiedergründung scheiterte 1945, da die Genehmigung dazu nicht gegeben wurde. Erst 100 Jahre nach der Gründung trafen sich Einheimische, um die alte Tradition wieder aufleben zu lassen. Seither kommen alljährlich am Vorabend des 1. Advent Interessenten zusammen, um den Meister im Langsamrauchen zu ermitteln. Es geht darum, die Zigarre möglichst lange am Glimmen zu erhalten. Der im 85. Lebensjahr stehende Willi Rocktäschel, der die Vereinsprotokolle für die heute Lebenden „entziffert“ hat, konnte eindrucksvoll nachweisen, dass der damalige Verein der Träger und Initiator des Kulturlebens im Ort war und entscheidend dazu beitrug, ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Dorfbevölkerung zu entwickeln. An geselligen Veranstaltungen nahm das ganze Dorf teil; Mitglieder kamen auch aus umliegenden Orten. Dem Vortragenden gelang es, Geschichte und Alltag des vergangenen Jahrhunderts auf unterhaltsame und zugleich nachdenklich machende Weise lebendig werden zu lassen.
Der gelungene Vormittag endete mit dem Hinweis des Bürgermeisters auf den in der Scheune zu besichtigenden, wohl aus dem 19. Jahrhundert stammenden Döhlener Leichenwagen (und weckte damit in manchem, gegenwärtiger Diskussion entsprechend, vielleicht auch den Gedanken an die Nachteile des Rauchens). Andreas Brandt und Willi Rocktäschel sei für einen anregenden Auftakt des neuen VAVH-Jahrs herzlich gedankt.
Dr. Frank Reinhold