Spätgotische Schnitzaltäre in Ostthüringen

Weihnachtliche Betrachtungen zu spätgotischen Schnitzaltären in Ostthüringen

Das letzte diesjährige Reichenfelser Sonntagsgespräch war am 14. Dezember einer zur Adventszeit passenden Thematik gewidmet. Während draußen winterliche Witterung herrschte, hatten sich in den Räumen des Museums etwa 25 Heimatfreunde versammelt, um einem außergewöhnlichen Vortrag zu lauschen. Eine Besonderheit stellte auch die Tatsache dar, dass diese Veranstaltung gemeinsam vom Hohenleubener Verein und von der Altenburger Akademie Evangelische Erwachsenenbildung getragen wurde.

Günter Hummel (Neumark) beschäftigt sich seit Jahrzehnten hobbymäßig mit spätmittelalterlichen Schnitzaltären und hat sich auch in den Kreisen professioneller Kunstgeschichtler einen sehr guten Ruf erworben. Gemeinsam mit Barbara Löwe von der Altenburger Akademie hat er in den letzten Jahren diesbezügliche Ausstellungen in Sachsen und Ostthüringen gestaltet, so auch in Hohenleuben. Die im Verlag Beier & Beran in Langenweißbach erscheinende, von Günter Hummel begründete Reihe „Kleiner sakraler Kunstführer“ weist inzwischen rund 30 Hefte auf. Aus der engen Zusammenarbeit mit Barbara Löwe erwuchs auch eine Vortragsreihe, die auf Dias und Texten Günter Hummels basiert und in der Verbindung von Wort und Bild auf einmalig atmosphärische Weise Wissen vermittelt.

Zur Einstimmung diente ein Ausschnitt aus Adalbert Stifters Erzählung „Weihnacht“, in der er unter anderem bemerkt: „Soweit Aufzeichnungen und Erinnerungen zurückreichen, haben Menschen und Völker ihre heiligsten Feste gehabt, an denen sie ihre Seelen in nähere Beziehung zu den Wesen setzten, die sie über sich glaubten … Und ist Pfingsten das lieblichste Fest, und ist Ostern das erhabene, so ist Weihnacht das herzinnige. Es ist das Fest des Kindes, des ewigen, des heiligsten, des liebreichsten Kindes, des Königes des Kindes“. Folgerichtig wurden zunächst Sakralplastiken vorgestellt, welche die Madonna mit dem Jesuskind zeigen, so aus der Wünschendorfer Veitskirche, aus Stelzendorf (bewahrt im Hohenleubener Museum), aus Fraureuth (im Greizer Museum befindlich), aus Steinsdorf, aus Dobia oder aus Hirschfeld (heute in Gera) und Stangengrün. Es wurde deutlich, dass eine kunstgeschichtliche Einordnung und die Zuordnung der meist unsignierten Werke zu einer bestimmten Werkstatt oder zu einem Künstler nur im Vergleich möglich sind, wobei man enge regionale Grenzen überschreiten muss. So ergeben sich Hinweise auf die Entstehungszeit, den Schöpfer des Kunstwerks bzw. den Werkstattumkreis aus der Form der Dornenkrone, der Frisurgestaltung oder aus dem Faltenwurf der Kleidung. Auch in Ostthüringen, in Westsachsen und im Vogtland, oft in unserer unmittelbaren Umgebung, haben bedeutende Meister gewirkt. Vorgestellt und in ihr historisches und kunstgeschichtliches Umfeld eingeordnet wurden unter anderem Werke der in Zwickau tätigen Meister Peter Breuer, Leonhard Herrgott (er hieß eigentlich Beier und machte die Tätigkeit „Herrgottsschnitzer“ zum Namen), Dionysius Maler und Hans Witten (Meister „HW“), von Hans Gottwalt von Lohr in Saalfeld, Hans Toppher in Leipzig und Matthias Plauener in Zeitz. Diese und andere vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Reformation, infolge deren das Bildschnitzerhandwerk zum Erliegen kam, tätigen Künstler waren ihrerseits teilweise Schüler bedeutender Meister, so von Gregor und Michael Erhart in Ulm und Tilmann Riemenschneider in Würzburg. Werke der Genannten befinden oder befanden sich zum Beispiel in der Wünschendorfer Veitskirche, in Linda, Fraureuth (jetzt im Greizer Museum), Wernsdorf, Niebra und Leitlitz (letzteres heute in Reichenfels). In der unterschiedlich emotionalen oder eher leidenschaftslosen Darstellung zeigen sich auch die Temperamente der Künstler. So ist bei Peter Breuer festzustellen, dass die Muttergottes im Laufe des Vierteljahrhunderts seiner bekannten Schaffenszeit immer mehr altert, aber auch immer mütterlicher und inniger wirkt. Madonnen mit dem Jesuskind, Kruzifixe, Darstellungen der Beweinung Christi (Pieta) und Heiligenfiguren wurden auf Dias vorgestellt und einfühlsam erläutert. Ergänzt wurde das Thema durch Ausführungen zu Engelsfiguren, besonders zu den heute teilweise wieder in Gebrauch genommenen Taufengeln (z. B. in Gauern, Caselwitz, Schömberg, Steinsdorf oder Muntscha) und zu den so genannten „Bornkinneln“, einer vogtländisch-erzgebirgischen Spezialität. So trug dieses Sonntagsgespräch dazu bei, in unserer eher rationalen Zeit weihnachtliche Emotionen zu wecken, was nicht zuletzt auch durch Hinweise auf die Malerpoeten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Ludwig Richter und Hermann Vogel unterstrichen wurde. Auch für diese gilt, was im Vortrag über die Bildschnitzer gesagt wurde: „Es ist die Kraft der Poesie, die sie leitet, in Liebe zu gestalten“.

Dr. Frank Reinhold

14-Dez-2008 | 2008, Nachlese

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